Aus der Antike in die Moderne katapultiert.

Zurückhaltend und doch dramatisch, friedlich und doch aufregend, aktuell und doch zeitlos: Im „Modern Greek Style“ vermischen sich Muster der Antike, Möbel aus dem Mittelmeerraum und skandinavischer Minimalismus zu einem Spiegelbild internationaler Stile und vergangener Epochen.

 

Mit seinem kristallklaren Meer, der beeindruckenden Natur und seinem herzlichen Volk zieht Griechenland jedes Jahr Romantiker und Abenteurer gleichermaßen an. Doch das Land steht für mehr als Sonne, Sommer und Lebensart: Seit Jahrtausenden sind Architektur, Kunst und Design Griechenlands wichtige Taktgeber für die Weltkultur. Mittlerweile hat sich der Stil längst mit der Moderne verheiratet, und nicht erst seit den Musical-Filmen „Mamma Mia“ ist der „Modern Greek Style“ in der Welt angekommen. In seiner reduzierten Ästhetik verbindet er den Charme der alten Welt mit moderner Einfachheit und macht nicht nur Räume zu Orten voller Wärme und Eleganz. Auch in der Mode: Sandalen, Armreife oder Decken zelebrieren mediterrane Leichtigkeit – ganz ohne Muscheln und Treibholz.

1 Decke von Zoeppritz / 2 Armreif von Sergio Engel / 3 Sandalen von Inart / 4 Backgammon-Spiel von Manopoulos

Das richtige Gleichgewicht aus alt und neu

Im griechischen Design spielen Muster eine große Rolle, damals wie heute. Eines der Schlüsselmuster ist seit jeher das Mäander, das schon seit der Jungsteinzeit verwendet wird. In der griechischen Antike stand das Ornament für die Erlangung der Ewigkeit durch Reproduktion und die sich ewig erneuernde Energie des Kosmos. Während es sich früher etwa als Relief und als Fries in der Architektur oder in Bordüren von Gewändern fand, ist es auch im „Modern Greek Style“ wegen seines zeitlosen Charakters beliebt – und weil es, je nach Ausmaß, mehr oder weniger Raum einnimmt. Das Mäander findet das richtige Gleichgewicht zwischen dekorativ und einfach, antik und modern, männlich und weiblich. In vielfach abgewandelter Form ist es heute auf Badezimmerteppichen, Körben und Vasen wie dem „Model No. 76“ von der Dänin Eva Stæhr-Nielsen zu finden. Sie entwarf sie Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Geschenk für den Ofenbauer Frank Edvard Jensen, heute wird die Vase von Spring Copenhagen produziert.

1 Vase von Spring Copenhagen / 2 Pflanzgefäß von Eichholtz / 3 Badteppich von Rhomtuft / 4 Schatulle von Baal / 5 Körbe von Hübsch

Modernes griechisches Design feiert die Verbindung von Altem und Neuem, die in harmonischer Weise zusammenkommen. Sichtbar wird das etwa im Hotel Ekies All Senses in Vourvourou: Elf Jahre verbrachte die Unternehmerin Alexandra Efstathiadou damit, das Resort, das sie als Kind schon besuchte, zu einem Eco-Retreat zu verwandeln, das traditionelle Formensprache mit zeitgenössischen Designs von Philippe Starck und Achille Castiglioni verschmilzt.

Villa Collection
Ekies All Senses Resort in Vourvourou, Griechenland

Auch im Hotel Athenswas in Athen feiert die inhärente Schönheit natürlicher Materialien mit griechischem Marmor und Nussbaum. Hier und da sind Anspielungen auf die griechische Geschichte zu sehen, oft in Form von Fotografien, die Skulpturen aus dem Archäologischen Nationalmuseum zeigen. Besonders eindrücklich zeigt sich die schlichte Ästhetik im Euphoria Spa
von Deca Architecture.

Athenswas Hotel in Athen, Griechenland
Kersten BV

Amphoren, Skulpturen, Statuen

Kleine Accessoires und Dekorationsgegenstände – Amphoren, Statuen, Skulpturen – sind integraler Bestandteil des „Modern Greek“-Stils und mischen sich mit modernen Möbeln. Sie sind meist in natürlichen Farben gehalten oder feiern ihren Werkstoff: Terrakotta, Rattan, Marmor. Als Ornamente sind oft Motive aus der Natur zu finden, Früchte spielen seit jeher eine große Rolle. Auch heute beziehen sich die beliebtesten Motive oft auf die Antike. Etwa die Plastik eines Granatapfels, gemeinhin als „Frucht der Götter“ bezeichnet, oder Trauben, die an Bacchus, den Gott des Weines erinnern. Der finnische Designpionier Oiva Toikka hat das mythische Motiv aufgegriffen und fantasievoll interpretiert: als ausgefeiltes Glaskunstwerk, das heute von Iittala hergestellt wird.

1 Glasdeko von Iittala / 2 Torso von Kare Design / 3 Ohrringe von Shaze / 4 Keramik-Granatapfel von Delphis Crete / 5 Schalen-Set von Doiy Design / 6 Tischleuchte von Light & Living
 

Das Organische, besonders das Körperliche, hat in Griechenland schon immer eine Rolle gespielt. Kaum verwunderlich ist, dass das klassische Idealbild des menschlichen Körpers im fünften Jahrhundert v. Christus in der griechischen Bildhauerei etabliert wurde. Seither ist es eines der am häufigsten zitierten – und kopierten – Stile der Kunstgeschichte. Meist werden Körper in Form eines Torsos gezeigt: plastische Darstellungen eines menschlichen Körpers ohne Extremitäten, die sofort in der griechischen Antike verortet werden. Im Design können sie, wie in der Kollektion „Ancient Times“ von Kersten, wie eine klare Reproduktion wirken, oder wie bei Kare beinahe futuristisch, indem die klassische Form aus Polyresin gegossen und mit einem Raster überzogen wird. Die Konnotation aber bleibt immer offenkundig.

Euphoria Retreat in Mystras, Griechenland, © Giorgos Sfakianakis Photography
Inliving
Soul Studio Design

Mediterraner Stil mit neuer Leichtigkeit

Im „Modern Greek Style“ vermischen sich traditionelle griechische Objekte mit Design aus dem Mittelmeerraum, wie klassisch marokkanischen Hockern und skandinavischem Minimalismus, wie einem Weinregal aus Schweden. So wird der mediterrane Stil mit neuer Leichtigkeit kombiniert, wirkt weniger opulent und ornamental, dafür menschlicher und natürlicher – ohne ein Pastiche der Vergangenheit zu sein. Minimalismus ist eng mit der griechischen Philosophie verwoben, seine Wurzel wird dem Philosophen Diogenes zugeschrieben. Diogenes war der Auffassung, dass ein einfaches Leben für die Tugend notwendig sei, angeblich lebte er nur in einem Weinkrug. Bis heute gilt im Griechischen das Sprichwort „Métron áriston“ – „Maßhalten ist das Beste“. Mitunter ist aber auch Grandezza erlaubt, etwa bei den Zementkacheln von Via, die schon im Film „Chocolat“ ihren großen Auftritt hatten.

1 Mosaikfliesen von VIA Platten/ 2 Glas von Bronze Verre / 3 Beistelltisch von Qued Noun Trading / 4 Weinregal von Born in Sweden
Enny Monaco Store auf Mykonos, Griechenland, Interiordesign von Marilyn Katsaris, © Yiorgos Kordakis

Damals wie heute lebt der griechische Stil von seinem klugen Verständnis von Proportionen, Ausgewogenheit und Maßstäben. Eine der Meisterinnen des griechischen Stils ist die Athener Designerin Marilyn Katsaris. Ihre Entwürfe reichen von Privathäusern über Yachten bis zu Ladengeschäften und sollen „sich positiv auf das Leben ihrer Kunden auswirken“, so die Designerin; eine Balance aus Farben, Texturen und Lichtstimmungen. Design mit zurückhaltender Leichtigkeit.

Rustikaler schlägt sich der „Modern Greek Style“ im Restaurant Omonia nieder. Das Traditionslokal, das seit 35 Jahren im Frankfurter Nordend seine Heimat hat, ist im Stil einer modernen Taverne gestaltet und serviert klassisch-griechische Gerichte. Innen ist es hell gehalten, ein eklektischer Mix aus traditionellen und zeitgenössischen Einrichtungsgegenständen, an der Wand hängen griechische Malereien und Bilder aus „Alexis Sorbas“. Der mediterrane Charme kommt auch bei den Nachbarn gut an – sie nennen das „Omonia“ liebevoll „Wohnzimmer des Viertels“.

Plastorex
Restaurant Omonia in Frankfurt

Titelbild: Euphoria Retreat in Mystras, Griechenland, © Giorgos Sfakianakis Photography