Holzregal mit verschiedenen Produkten vor Fenster und Bäumen.

Die Schönheit des Einfachen.

Unaufgeregt, zeitlos, praktisch, anpassungsfähig – es gibt viele Attribute, die auf skandinavisches Design und Lifestyle zutreffen. Mit schnörkelloser Schlichtheit und natürlichen Materialien begeistert der minimalistisch-wohnliche Stil aus dem Norden Europas. Viel Licht, freundliche Farben und Kuschel-Accessoires wie Kissen oder Decken sorgen für Behaglichkeit und machen das Wohlfühl-Ambiente perfekt.

 

Es ist der Dauerbrenner im Interior-Bereich: Seit Jahren stehen skandinavisches Design und skandinavischer Lifestyle ganz oben in der Beliebtheitsskala. Aber woran liegt es, dass die Möbel und Accessoires designed in Scandinavia so begehrt sind? Warum gibt es im Norden Europas so viele erfolgreiche Designlabels? Und warum legen die Skandinavier selbst so viel Wert auf gutes Design? Antworten findet man in der traditionellen Lebensart und im nordischen Alltag ebenso wie in der Geographie und im rauen Klima der Länder.

„Swedish Design Movement – Leading the way“ © Adorno

Design als Kulturgut

Der hohe Stellenwert des Designs zeigt sich unter anderem darin, dass es in vielen skandinavischen Museen breiten Raum einnimmt. In Kopenhagen gibt es sogar ein eigenes Designmuseum, das im Juni 2022 nach zweijähriger Renovierungszeit wiedereröffnet wurde. Gegründet wurde es übrigens bereits im Jahr 1890. Das Gebäude beherbergt das gesamte Spektrum des Designs von der Vergangenheit über die großen Ikonen der Moderne bis hin zu den bedeutenden Themen der Gegenwart. So zeigt beispielsweise der Bereich „Die Magie der Form“ die legendären Stühle von Verner Panton aus den 1950er Jahren ebenso wie Leuchten von Poul Henningsen. In der Ausstellung „Der Tisch ist gedeckt!“ trifft der Besucher auf eine 13 Meter lange, beleuchtete Glasplatte, die von dem renommierten Designer Boris Berlin entworfen wurde.

Keine Schließzeiten, keine Warteschlangen, kein Eintritt: Ebenfalls in diesem Sommer feierte eine virtuelle Designausstellung Premiere. Unter dem Titel „Swedish Design Movement – Leading the way“ kann man Design aus einer ganz neuen Perspektive erleben. Per Mausklick navigiert man durch eine hyperrealistische digitale Version des Sara Kulturhus, das im Original im nordschwedischen Skellefteå steht.

Der „Tisch ist gedeckt“ / Foto: Designmuseum Danmark
„Die Magie der Form“ / Foto: Designmuseum Danmark

Klassiker der Moderne

Seinen Ursprung hat das skandinavische Design, so wie wir es heute verstehen, in den 1930er bis 1960er Jahren, als große Architekten*innen und Gestalter*innen wie das finnische Ehepaar Alvar und Aino Aalto oder die international gefeierten dänischen Designer Hans J. Wegner und Arne Jacobsen den Einrichtungsgeschmack einer ganzen Generation prägten. Sie begründeten die moderne nordische Wohnkultur. Als Begriff tauchte „Scandinavian Design“ das erste Mal im Jahr 1951 anlässlich der Londoner Ausstellung „Scandinavian Design for Living“ auf. Diese gemeinsame Präsentation erwies sich als geschickter Schachzug der nordischen Länder, denn schon bald war das skandinavische Design weltweit bekannt und erfolgreich.

Georg Jensen
Broste Copenhagen

Wie das deutsche Bauhaus beruht auch der skandinavische Modernismus auf dem „form follows function“-Prinzip. Klar, zweckmäßig und zeitlos orientieren sich die Formen an den Bedürfnissen der Menschen. Die Verbindung aus handwerklicher Fertigung und industrieller Produktion sorgt dafür, dass Design und Qualität für alle erschwinglich sind. Man spricht hier bewusst von „demokratischem Design“, da es sich nicht nur an reiche Eliten, sondern an die ganze Bevölkerung richtet.

Viele Entwürfe jener Zeit sind mittlerweile zu echten Designklassikern avanciert. So verleiht Georg Jensen in diesem Jahr dem legendären Krug von Henning Koppel mit vier neuen Farben, die von Zeichnungen aus den 1950er Jahren inspiriert sind, einen ganz neuen Ausdruck. Der Klassiker schlechthin im Sortiment von Stelton ist die Isolierkanne EM77 mit ihrer unverwechselbaren Formensprache, die in diesem Jahr ihren 45. Geburtstag feiert. Der Name EM77 setzt sich übrigens aus den Initialen des Designers Erik Magnussen und dem Entwurfsjahr 1977 zusammen. Zu den Longsellern von Broste Copenhagen gehört die Polsterkollektion Wind, die schlanke Linien und abgerundete Formen kombiniert.

 

Stelton

Hygge, Lagom, Kos und Sisu

Um den Scandi-Style richtig verstehen zu können, muss man in die Lebensart der Nordeuropäer eintauchen. Hygge, Lagom, Kos und Sisu heißen die Schlagworte für den besonderen Scandinavian way of life. „Hygge“ bedeutet so viel wie „Wohlbefinden schaffen“ und ist Kernbestandteil der dänischen Tradition und Lebensweise. Der Begriff beschreibt eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens zusammen mit lieben Freunden genießt. Das schwedische Pendant dazu heißt „Lagom“, was „weder zu viel noch zu wenig“ oder „genau richtig“ bezeichnet. Im Norwegischen ist eines der wichtigsten Wörter „Kos“. Es steht für Wärme, Freundlichkeit und Zusammengehörigkeit, kurz gesagt für eine „gute Zeit haben“. Diese kann man überall finden: in der wilden Natur genauso wie bei einer Tasse Kaffee mit einer frisch gebackenen Zimtschnecke. Apropos Kaffee: In Schweden ist die Fika – die Kaffeepause – eine Institution. Das heißt, man unterbricht seine Tätigkeit, um mit Freunden und Familie Kaffee zu trinken. Bleibt noch das finnische „Sisu“, das Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Willensstärke und Entschlossenheit ausdrückt. Beispiel gefällig? Man hat „Sisu“ in Finnland, wenn man kilometerweit Ski läuft oder im eisigen Wasser badet, um sich dann in der Sauna zu erholen.

Bloomingville
Pappelina

Im Einklang mit der Natur

Das raue Klima, die harten Lebensbedingungen und knappe Ressourcen haben entscheidenden Einfluss auf das skandinavische Design. Die Sommermonate werden traditionell draußen in der Natur verbracht, im langen Winter gilt es, zu Hause ein möglichst helles und behagliches Ambiente zu schaffen. Deshalb waren die Einrichtungen schon immer von natürlichen Materialien, sanften Farben und Schlichtheit geprägt. Helle Hölzer wie Birke, Esche oder Kiefer harmonieren mit Weiß in allen Schattierungen, Grau, Schwarz und Beige. Farbakzente setzen zartes Hellblau oder Lindgrün. Sanft geschwungene Formen wie bei dem Beistelltisch von Lind DNA sorgen für Ausgeglichenheit und Ruhe. Dazu passen dezente Muster in Naturtönen wie bei den Teppichen von Pappelina.

Lind DNA
Roros Tweed
IB Laursen

Für den Wohlfühlfaktor sind Teppiche mit Struktur und weichen Mustern, Kissen, Decken und auch Felle wie bei Bloomingville zuständig. Denn skandinavisches Design soll nicht nur gut aussehen, sondern sich auch gut anfühlen. Als Eyecatcher fungieren oft handgemachte Dekostücke oder Gebrauchsgegenstände wie Krüge, die sich auch als Vase einsetzen lassen. Stoffe mit verspielten und von der Natur inspirierten (Blumen)-Mustern verleihen den sonst eher praktisch und schlicht eingerichteten Wohnungen der Nordländer ihre persönliche Note. Die Liebe zur Natur und den Traditionen spiegelt sich auch in der Verwendung nachhaltiger, heimischer Materialien wider. Deshalb verwendet das Unternehmens Roros Tweed, das im gleichnamigen Bergstädtchen ansässig ist, für seine Decken und Kissen ausschließlich Wolle von norwegischen Bergschafen.

1 Krug Mynte von IB Laursen / 2 emaillierte Teekanne von Kockums / 3 + 5 Kännchen von Wik & Walsøe / 4 Krug von Greengate / 6 Milchkrug von Broste Copenhagen / 7 Kusintha Glaskanne von Bitz
 

Der Licht-Faktor

Da es in den Wintermonaten in Skandinavien bis zu 17 Stunden dunkel sein kann, spielt das Licht eine entscheidende Rolle im Wohnambiente. Es ist nicht unüblich bis zu fünf Lichtquellen in einem Raum zu haben. Ganz gleich, ob eine eher nüchterne, klare Stimmung oder eine gemütlich-verspielte Atmosphäre gefragt ist, Decken- oder Standleuchten sind auch ausgeschaltet wichtige Elemente. Genauso werden Kerzenhalter in ihrer ganzen Vielfalt zum dekorativen Blickfang. Nordisches Design und afrikanische Handwerkskunst verbindet das finnische Unternehmen Mifuko mit seinen Lampenschirmen, die aus Milulu-Gras handgefertigt werden. An Pariser Bistros hingegen erinnert die Hängeleuchte des dänischen Labels Design by Us, das für fantasievolle und unkonventionelle Ansätze bei der Beleuchtung bekannt ist.

Mifuko
Design by Us
 
1 Tischleuchte von Villa Collection / 2 Tischleuchte von Oyoy Living / 3 Hängeleuchte von Bloomingville / 4 + 8 Vance Kitira Kerzen und Kerzenhalter von Lübech Living / 5 Kerzenhalter von Mifuko / 6 Kerzenhalter von Cooee Design / 7 Kerzenhalter von Dottir / 9 Hängeleuchte von Broste Copenhagen / 10 Tragbare Leuchte von Stelton
 

Humorvolles Design

In Skandinavien leben die glücklichsten Menschen – zu diesem Ergebnis kommt der World Happiness Report der Vereinten Nationen. Von 2013 bis heute waren Finnland, Dänemark, Norwegen, Schweden und Island stets unter den ersten zehn glücklichsten Nationen der Welt. Die Macher des Glücksberichts sehen den Grund vor allem in verlässlichen staatlichen Institutionen. Darüber hinaus erleben die nordischen Bürger*innen ein hohes Maß an Autonomie und Freiheit und haben ein großes soziales Vertrauen zueinander. Vielleicht trägt aber auch das skandinavische Design zu einem glücklichen und ausgeglichenen Leben bei? Auf jeden Fall zeigen die Kreativen jede Menge Humor mit ihren Entwürfen.

Ein äußerst sympathischer Zeitgenosse ist die Leuchte Mr. Wattson® von Piffany Copenhagen. Für ihn ist es eine Berufung, eine Atmosphäre zu schaffen, die die Menschen dazu bringt, sich in seiner Nähe aufzuhalten. Beste Freunde für alle Lebenslagen findet man unter den liebevoll gestalteten Holzfiguren von Spring Copenhagen. Der Inbegriff von Lächeln, Optimismus und guter Laune sind seit den 1960er Jahren die Hoptimisten. Gustav Ehrenreich hat die kleinen Figuren mit dem Ziel geschaffen, Freude zu verbreiten und diese Aufgabe erfüllen sie bis heute perfekt. Man trifft sie sogar im Happiness Museum in Kopenhagen, wo sie die Besucher mit einem breiten Lächeln empfangen.

Piffany Copenhagen
Spring Copenhagen
Hoptimist

Titelbild: Villa Collection