Ein silberner und ein schwarzer Füller sind geöffnet und liegen auf einem Holztisch.

Warum Schreiben einfach gut tut.

Vielleicht sah es irgendwann mal so aus, als ob die Digitalisierung das Schreiben mit Stift und Zettel überflüssig machen würde. Inzwischen hat sich gezeigt, dass sich die wertvolle Kulturtechnik zwar verändert, aber keineswegs aus der Mode kommt. Im Gegenteil: Die Freude an edlen Schreibgeräten, Papieren, Notizbüchern und Kalendern wächst weltweit. Die Gründe dafür reichen von Lifestyletrends wie JOMO (Joy of missing out) und Digital Detoxing bis hin zu Studien in der Hirnforschung, deren Ergebnisse sich lesen wie ein Plädoyer fürs Handschreiben.

 

Ja, der Umgang mit digitalen Medien hat das Thema Handschreiben verändert – aber nicht unbedingt verschlechtert. Denn während in den „guten alten Zeiten“ das Schreiben mit der Hand eine notwendige Alltagsroutine war, sind es heute oft die besonderen Momente, an denen wir zu Stift und Papier greifen. Diese Entwicklung spüren traditionsreiche Hersteller wie Kaweco (Titelbild), die mit ihren designorientierten Serien eine Generation an Digital Natives erreichen, die analoge Schreibgeräte auf neue Art wertschätzt.

Kaweco
Designer Mark Braun
Design Mark Braun für Otto Hutt (Bild: Studio Likeness)

Kreation und Glücksmomente

Einer, der sicher nicht auf Stift und Zettel verzichten möchte, ist der renommierte Gestalter Mark Braun. „Im kreativen Prozess bietet das Zeichnen viel Freiheit für die Kommunikation hier im Team. Das Schreiben wiederum ist ein unglaublich vitales Werkzeug in der konzeptionellen Phase. Meine Blöcke sind voller Notizen, Ideen und Textfragmente, die am Schluss ein rundes Ganzes ergeben“, berichtet Braun. Noch einmal anders bewertet er das Schreiben im privaten Kontext. Hier sieht er die Handschrift auch als Ausdruck der eigenen Gemütslage. „Es tut gut, Muße zu finden, sich mit Stift und Zettel hinzusetzen und die eigenen Gedanken zu sortieren.“

Während er im Alltag meist die im Studio überall parat liegenden Pigmentliner und Bleistifte nutzt, greift er zu speziellen Anlässen gerne zum Füllfederhalter, zu dem er auch beruflich einen besonderen Bezug hat, seit er für die Traditionsmarke Otto Hutt entwirft. In dieser Designleistung, betont Braun, gehe es nur sekundär um das Äußere: „Natürlich soll mir mein Füller gefallen. Aber das Wichtigste bei diesen hochwertigen Geräten ist die Schreibperformance. Mit einem wirklich guten Füller zu schreiben, kann Glücksmomente erzeugen.“

Ein wichtiger Grund, warum Braun gerne mit der Hand schreibt, ist, dass er damit Inhalte besser strukturieren und erinnern kann, als wenn er mit digitalen Medien arbeitet. Damit stimmen seine Erfahrungen mit der aktuellen Forschung überein. Diese beweist nämlich, dass das Schreiben mit der Hand sehr viele positive „Nebeneffekte“ hat, etwa auf das konzeptionelle Denken, das Erinnern und die räumliche Auffassungsgabe. Gleich mehrere internationale Studien zeigen, dass Studierende, die Gehörtes mit Stift und Notizblock mitschreiben in Sachen Konzeptwissen besser abschneiden als diejenigen, die gehörte Inhalte in den Laptop tippen. Dabei sind zwar die Aufzeichnungen der „Tippenden“ im Wortlaut genauer, Handschreibende können sich aber die Zusammenhänge besser merken.

Handschreiben macht schlau

Woran das liegt, erklärt Dr. Henning Beck, Neurowissenschaftler und Bestsellerautor. Während beim schnellen Eingeben über die Tastatur das Gehörte meist einfach 1:1 übernommen wird, müssen wir beim langsameren Handschreiben entscheiden, was aufs Papier kommt. Daher konzentrieren wir uns schon während des Hörens auf das Wesentliche. Wir verarbeiten die Inhalte direkt und schreiben mit eigenen Worten auf, was wir verstanden haben. Kurz: Das Mittippen beschränkt sich auf den rein auditiv motorischen Prozess, das Handschriftliche schließt einen Denkprozess ein. Ähnlich positive Effekte weist auch das Schreiben mit Surface-Pen und Touchscreen auf. Allein die Schreibbewegung scheint dabei zu helfen, sich an die Inhalte erinnern zu können.

Allerdings bleibe, gibt der Wissenschaftler zu bedenken, ein Touchscreen immer eine Scheibe, der die räumliche Komponente fehle. Genau diese hilft uns aber immens beim Erinnern. Vorstrukturierte oder farbige Blöcke, Eselsohren oder Kaffeeflecke auf dem Papier: Mit Details wie diesen verknüpfen wir unbewusst die Inhalte und können uns besser an sie erinnern. Innovative Produkte dafür bietet die Branche viele. Der Notizblock der spanischen Marke Carchivo etwa wächst dank des cleveren Scheibensystems mit. Der Designklassiker der schwedischen Marke Ballograf wiederum, der auch den Spitznamen „Poststift“ trägt, ist immer zur Hand, wenn man ihn für gute Gedanken braucht.

Dr. Henning Beck (Bild: Hans Scherhaufer)
Carchivo
Ballograf

Freies Schreiben fürs Lernen

Und es gibt noch viele weitere gute Argumente fürs Handschreiben. Studien zeigen: Das Arbeiten mit Stift und Papier spricht wesentlich mehr Hirnregionen als digitale Alternativen an, fördert die Ausbildung der feinmotorischen Fähigkeiten und aktiviert das räumliche Verstehen. So lernen Kinder Buchstaben nachweislich besser, wenn sie diese frei per Hand schreiben statt geführt nachmalen oder gar nur anklicken. Schöne Stifte in ansprechenden Farben und tollen Effekten wie die Duftstifte der britischen Marke Tinc sowie Hefte in „coolen“ Designs wie die der kroatischen Marke MarMar, animieren die Kleinen zu großen Lernerfolgen und sorgen für anhaltende Freude am Malen, Zeichnen und Schreiben.

MarMar
Tinc

Handschreiben entschleunigt

Handschreiben macht also schlau. Aber nicht nur das. Es entspannt auch in Zeiten, in denen die digitale Welt immer schneller taktet. Lifestyletrends wie JOMO, also die Freude, etwas zu verpassen, Journaling oder das Schreiben von „Not-to-Do-Listen“ sind bewusste Gegenreaktionen auf das digitale Tempo sowie Social-Media-Phänomene wie FOMO (Fear of missing out) – die Angst, etwas zu verpassen. Für das Digital Detoxing mit Stift und Papier bietet die Branche eine Fülle an attraktiven, emotionalen Produkten, die alle Sinne ansprechen: Tagebücher, Notizblöcke, Journaling- und Bullet-Point-Hefte aus haptischen Hochwert- und Naturpapieren treffen dabei auf individuelle Schreibgeräte, die dazu einladen, sich mit Ruhe zu strukturieren und kreativ zu entfalten.

 

Diplomat
Waldmann

Handschreiben ist persönlich

In eine ähnlich Richtung geht der Trend des Handgeschriebenen als Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber. Geboren aus dem Überdruss an schnelllebiger digitaler Kommunikation, wächst die Freude an dem, was bleibt. In diesem Kontext stehen Hobbies wie die Kalligrafie aber auch das Führen des persönlichen Tagebuchs oder das Briefeschreiben, für das der eine besondere Stift reserviert ist wie etwa die „Federn“ der italienischen Marke Rubinato.

Rubinato

Weltweites Wachstum

Lifestyletrends wie diese spiegeln sich derzeit spürbar in den globalen Märkten wider. So prognostiziert das Institut Grand View Research dem weltweiten Markt für Schreibgeräte ein Wachstum bis 2030 um über vier Prozent auf 23,94 Milliarden US-Dollar (2023: 17,73 Milliarden US-Dollar). Laut Report nähren sich diese positiven Entwicklungen aus verschiedenen Richtungen. Danach steigen gerade luxuriöse und individualisierte Schreibgeräte in der Beliebtheit als Geschenk zu besonderen Anlässen. Zu diesem Trend passend schätzen auch Unternehmen attraktive Schreibgeräte bekannter Marken für ihre Corporate Branding- und Werbezwecke. Außerdem führe eine steigende Zahl von Buchleser*innen und Geschichtenschreiber*innen dazu, dass farbige Stifte und Textmarker jeglicher Art einen regelrechten Boom erleben.

 

1 Journal von Printworks // 2 Sniffy Sketchies von Tinc // 3 Block Notes Renew von Giuseppe Di Natale // 4 Poststift von Ballograf // 5 Ecosmile-Notebook von Flexbook // 6 Ingeniox-Planer von Carchivo // 7 Serie Tango von Waldmann // 8 Touchpen von Kaweco

Triebfeder Nachhaltigkeit

Als übergeordneter Trend zieht sich das Thema Nachhaltigkeit über alle Produktgruppen hinweg. So suchen Verbraucher*innen sehr bewusst nach umweltfreundlichen und nachfüllbaren Stiftvarianten und nachhaltigen Papieren. Hierzu überraschen die Unternehmen der Branche mit vielen kreativen Innovationen. Der italienische Hersteller Giuseppe Di Natale etwa verarbeitet für die nachhaltige Notebook-Serie „Renew“ Stoffreste. Die griechische Marke Flexbook wiederum nutzt für ihr Label Ecosmile Papiere, die auf landwirtschaftlichen Reststoffen basiert.

 

Was zum Trend wird

Welche weiteren Trends sich in der Branche durchsetzen, wird unter anderem die Ambiente 2024 zeigen. Die „Urban Gifts, Stationery & School“-Halle 4.2 ist mit fast 300 ausstellenden Unternehmen die größte internationale Plattform in diesem Bereich. Sie bietet die höchste Dichte an Anbieterinnen für Schreibgeräte und Papeterie sowie ein einmaliges, facettenreiches Sortiment an Kern- und Zusatzsortimenten. Ergänzend dazu entfalten die „Working“-Plattformen das Themenfeld von der Büroeinrichtung bis zur Ausstattung in der Halle 3.1, der Festhalle und im Forum.

 

Titelbild: Kaweco