Jetzt das Wohnen zelebrieren.

Dr. Barbara Perfahl ist Wohnpsychologin, Autorin und Home Stagering. Sie kennt sich also mit dem Einrichten und Gestalten von Wohnungen aus – wobei sich die gebürtige Österreicherin nicht auf Interieur-Fragen reduzieren lassen möchte: „Ich beschäftige mich mit der Frage, wie Räume wirken“, erklärt Dr. Perfahl. Wir haben mit ihr über Wohnen und Arbeiten in aktuellen Zeiten gesprochen – und darüber, wie das Zuhause wohlfühlen in beiden Situationen gelingen kann. Vielleicht sind Homeoffice und Co. ja so eine Art Lackmustest: Jetzt zeigt sich mehr denn je, wie man selbst wohnen möchte. Und was man dazu wirklich braucht.

Frau Dr. Perfahl, Sie beschäftigen sich als Wohnpsychologin mit der Wirkung von Räumen. Was kann ich einrichtungstechnisch tun, um mich gerade in Zeiten wie diesen zu Hause wohlzufühlen?

„Gerade weil man so viel zu Hause ist, fallen jetzt die Dinge ins Auge, die immer schon genervt haben. Ein grundsätzliches Thema, das ich in vielen Wohnungen bemerke: Da ist viel zu viel zu sehen. Wir leben oft in einer kleinen Reizüberflutung. Viele Menschen beginnen jetzt mit dem Ausmisten und Ausräumen. Aber man muss gar nicht unbedingt etwas dauerhaft weggeben. Eine Erste Hilfe-Maßnahme: Mehr leere Flächen bekommen! Sowohl Oberflächen als auch Wände. Es ist immer besser, die Dinge zu gruppieren, und dazwischen ein bisschen Leere zu haben. Der Mensch fühlt sich am wohlsten in einem mittleren Reizniveau. Damit können wir auch das Gefühl der Enge, das jetzt viele befällt, reduzieren – im Zweifel deshalb: Dinge in den Schrank räumen.“

Stilvoll verstauen: Die High Box von Hey Sign lässt auch sperrigere Dinge verschwinden. Verso Design bietet eine ganze Reihe an Unterbringmöglichlösungen, die ebenso schlicht wie vielseitig sind. Auch der Linn Kleiderständer ist ein Multitalent: schnell aufgebaut, bietet er in vielen Ecken zusätzlichen Stauraum für Kleidung, Schuhe und Kisten an einem Platz.

Hey Sign
Verso Design
Brabantia

Wie schaut es mit dem umgekehrten Fall aus? Minimalisten, die sich sonst nicht den ganzen Tag in ihrer Wohnung aufhalten, empfinden vielleicht auch schneller als sonst optische Langeweile.

„Stimmt, es gibt natürlich auch Menschen, die ohnehin schon sehr reizreduziert leben. Die haben in dieser Situation plötzlich das Gefühl: Mir ist es jetzt zu kühl, zu ungemütlich. Da helfen mir weiche Stoffe, Wärme, Struktur, also haptisch angenehme Oberflächen. Alles, was nicht glatt und glänzend ist, sondern ein bisschen kuschelig: Kissen, Kerzen, Raumdüfte…
Ich rate da immer, aufs Gefühl zu hören. Sich dafür die Zeit und den inneren Raum zu nehmen. Das geht über die Frage einer reinen Dekoration hinaus. Gerade in so einer schwierigen Situation ist es enorm wichtig, etwas für sich zu tun. Wir wissen ja alle nicht, wie lange die aktuelle Lage weitergeht. So einen Zeitraum hat ja niemand je zu Hause verbracht. Das bekommt man nur gut hin, wenn man dem eigenen Wohlbefinden einen Platz einräumt. Mehr, als wir das sonst tun in unserem Alltag. Und dazu gehört noch viel mehr als sonst die eigene Wohnung.“

Eine Überdosis „Hygge“ kann schnell zu viel werden – doch sparsam dosiert sind Plaids und Co. nach wie vor das zuverlässigste Mittel, um auch in minimalistische Wohnungen ein bisschen mehr Behaglichkeit zu bringen.

Södahl
Halinh Rattan
PIFFANY Copenhagen
Iittala

Natürlich, ergänzt Dr. Perfahl noch, sei es trotzdem wichtig, soweit möglich an der frischen Luft zu sein. Besonders glücklich kann sich dieser Tage schätzen, wer Balkon oder Terrasse hat: Die erweitern die individuelle Wohnfläche um ein „draußen“, das einem jederzeit zur Verfügung steht. Obigen Rat kann man sicher auch auf diesen Wohnbereich anwenden – optische Störer aufräumen, leere Balkone gezielt mit Outdoor-Mobiliar und -Accessoires zum Wohlfühlraum unter freiem Himmel gestalten. Doch beim Zuhause wohlfühlen geht es aktuell, natürlich, nicht allein um Freizeit:

Royal Copenhagen
Hübsch

Viele Menschen müssen nun nicht nur ihren Alltag zu Hause verbringen, sondern auch die Arbeitszeit. Wie kann man hier die nötige Trennung schaffen – gerade, wenn ich kein eigenes Arbeitszimmer besitze?

„Wenn’s irgendwie geht: Zonen schaffen. Eben nicht am Esstisch arbeiten. Und wenn er noch so klein sein mag: Ein abgegrenzter Arbeitsbereich kann eine große Hilfe sein! Mit einem eigenen Teppich und einer speziellen Beleuchtung kann ich solche Inseln im Raum schaffen. Zusätzlich ist natürlich auch Improvisation gefragt: Die Zimmerpflanze so positionieren, dass sie ein Raumteiler wird. Das Bücherregal jetzt im rechten Winkel zur Wand stellen.“

Meisterwerke

„Außerdem: Wenn es irgendwie geht, einen kleinen Arbeitstisch einrichten. Heutzutage, wo die meisten sowieso nur noch mit dem Laptop arbeiten, da reicht meist ein ganz kleiner Schreibtisch – wenn man keinen hat, kann man sich den ja noch liefern lassen. Am besten vor dem Fenster oder in einer Fensternische, denn mit Blick nach draußen arbeitet man Studien zu Folge besser und konzentrierter. Sich jetzt ein bisschen auszustatten, das zahlt sich aus.“

Ein kleiner Schreibtisch kann in diesen Tagen wahres Gold wert sein. Und wer zu zweit im Home Office arbeiten muss, freut sich über einen Raumteiler wie den von Meisterwerke: Das schallschluckende Spezial-3D-Gewebe sorgt für eine angenehm ruhige Arbeitsumgebung.

Rig Tig
Dôme Deco
VLUV

Kann es umgekehrt helfen, neben der Arbeits- auch die Wohnsituation zu verbessern? Zum Beispiel gerade jetzt am schön eingedeckten Tisch zu essen?

„Ich würde das Wohnen jetzt sowieso sehr zelebrieren! Jetzt und hier Rituale zu schaffen, das schafft auch kleine Highlights im Wohnalltag. Normaler Weise wird der Tag oft dadurch strukturiert, dass man zu ganz bestimmten Zeiten rausgeht, das Haus verlässt und wieder zurückkehrt. Das hat man jetzt so alles nicht mehr. Das schlimmste, was jetzt passieren kann, wäre, dass alles ein einziger Wohnbrei würde. Insofern: Unbedingt ja, das kann ich unterstreichen!“

Rituale schaffen, das Wohnen bewusster gestalten: Wenig strukturiert den Tag seit jeher so unmittelbar wie Mahlzeiten, die man zu bestimmten Zeiten zu sich nimmt. Wenn man auch aktuell nicht in ganz großer Runde zusammenkommen kann, so lohnt es sich doch, ein wenig Tischkultur zu zelebrieren: Mindestens einmal pro Tag am stilvoll eingedeckten Tisch zu essen, zum Beispiel – in der Familie zur festen Zeit gemeinsam.

Wedgwood

Sie sind nicht nur Wohnpsychologin, sondern bieten zusammen mit Ihrer Geschäftspartnerin auch Home Staging an. Da müssen Sie binnen weniger Tage ein komplettes Wohnobjekt herrichten, oft auch ältere Bestandsimmobilien. Und das ganz ohne Renovierung. Was können Sie uns aus dieser Arbeit mit auf den Weg geben?

„Im Home Staging muss es oft sehr flott gehen. Es geht darum, mit einer möglichst neutralen, trotzdem zielgruppengerechten Gestaltung die Stärken der Räume und die Wohnqualität erlebbar zu machen. Wenn die Interessenten hereingehen, sollen sie wirklich das Gefühl haben: Hier könnte ich sofort einziehen. Die Einrichtung macht nichts anderes, als die Räume erlebbar zu machen. Natürlich spielen dabei auch Architektur und Wahrnehmungspsychologie eine Rolle: Wo liegen die Fokuspunkte im Raum, wo die Sichtachsen, die Wegeführung? Natürlich: Eine gestagte Wohnung wird anders eingerichtet als eine Wohnung, die tatsächlich zum Wohnen da. Und trotzdem kann man einiges daraus lernen: Interessant daran ist beispielsweise, dass wir mit denselben Möbeln immer wieder völlig unterschiedliche Interieurs gestalten können. Wir setzen Impulse und Akzente, arbeiten die Stärke eines Hauses oder einer Wohnung heraus, was die Räume können, was sie nicht können. Es geht überhaupt nicht um ein Beschönigen: Man kann Nachteile nicht verschwinden lassen. Und soll es auch gar nicht. Zum Beispiel kann ich Räume nicht größer zaubern, als sie sind. Aber ich kann zeigen, was diese Räume können. Und ich kann es erfühl- und erlebbar machen.“

Wahre Phantasieanreger statt falscher Versprechen: Opulente Blumenbouquets und tropisches Pflanzendickicht müssen nicht zwangsläufig echt sein, um ihre Wirkung zu entfalten. Tapeten mit historisch inspirierter Botanik von Muraia Wallpaper, Flora und Fauna von Creative Lab Amsterdam sowie edle Seidenblumen aus Holland von Silk-ka.

Creative Lab Amsterdam
Silk-ka
Muraia Wallpaper

Hier treffen dann Ihre beiden Arbeitsfelder zusammen: Einrichtung hat ja immer auch mit Wünschen und Träumen zu tun.

„Das stimmt, das wird gerade jetzt wieder relevant: Dinge und Objekte, die eine persönliche Bedeutung für mich haben. Das können Bilder, Fotografien, aber auch Einrichtungsgegenstände sein. Wenn ich drei Jahre auf ein besonderes Möbelstück hingearbeitet habe, damit ich es mir leisten kann, dann erhält es zwangsläufig eine andere Bedeutung für mich. Alle diese Dinge, mit denen man sich in der Wohnung umgeben kann, um sich in einen positiven Zustand zu versetzen – die gewinnen jetzt nochmals an Bedeutung.“

Bild: Wolfgang Lehner

„In meinem Wohnzimmer zum Beispiel hängt ein großformatiges Foto aus Island. Ich habe quasi über dieses Bild eine innere Verbindung zu einem Ort. Gerade, wenn man nicht raus kann, funktionieren Bilder und Dinge als Verbindung zu anderen Menschen, Orten oder Zeiten – das kann auch ein Blick in die Zukunft sein.“

Vielen Dank für das Gespräch!

www.die-wohnpsychologin.de

Titelbild: OYOY Living Design