Objekte, die jeder Mode trotzen.

Keramikkollektionen wider die Kurzlebigkeit, Teller aus Rinderblut und schwere Töpfe, die im Feuer geschmiedet werden: Obwohl nirgendwo ausbuchstabiert, zog sich das Thema langlebiges Design wie ein roter Faden durch die diesjährigen Ambiente Arts & Crafts-Talents.


„Diesen Topf können Sie noch an Generationen weitergeben“, schwärmt ein Besucher am Stand von Berthold Hoffmann, der es offenbar wissen muss. Hoffmann nickt und bestätigt. Der Nürnberger spricht eher bescheiden von den Töpfen, Brätern und Gefäßen, die er in seinem Atelier HOFFMANN-METALLGEFÄSSE in Kleinserie entwickelt, gestaltet und in Zusammenarbeit mit einer Eisengießerei auch selbst produziert. Dabei sind Hoffmanns Objekte der Tisch- und Kochkultur preisgekrönt und ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hessischen Staatspreis für das deutsche Kunsthandwerk sowie 2016 mit dem German Design Award des „Rat für Formgebung“ in Frankfurt. Sogar in Ausstellungen wurden die Objekte gezeigt, erst im letzten Jahr zum Beispiel in New York.


Bei den Talents ist Hoffmann vertreten, weil seine kleinseriellen Produkte vielen noch immer als Geheimtipp gelten dürften. Hier präsentiert er eine Auswahl seines Kochgeschirrs – massive Töpfe und Bräter, ausgesprochen robust und, so verspricht es ihr Macher, hervorragendes Beispiel für langlebiges Design. Formschön obendrein: Hoffmann, der Gold- und Silberschmieden an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert und sich anschließend noch das nötige Handwerk der Metallbearbeitung angeeignet hat, verbindet in seinen Arbeiten das Grobe mit dem Feinen. Besonders ins Auge fällt ein eckiger Gusseisenbräter, der mit seinen herausstehenden, dunkel gebrannten Griffen eine gestalterische Hommage an chinesische Bronzegefäße darstellt. Die Zeitlosigkeit ist dabei nicht nur dem Material eingeschrieben: „Mich interessieren Formen, die sich nicht verbrauchen“, erklärt Hoffmann, „weil sie auch in 20 Jahren noch gefallen. Weil sie außerhalb der Mode liegen.“

Hoffmann Metallgefässe
Hoffmann Metallgefässe

Nachhaltiger Konsum, das bedeutet in diesem Fall also vor allem auch langlebiges Design. Mit Produkten, die mehr als eine Saison Bestand haben sollen. Genau wie die Schalen, Tassen und Gefäße von Kodama Toki, die die Japanerin in Schlickerguss-Technik herstellt. Qua Material und Optik könnten sie kaum weiter von Hoffmanns Metallobjekten entfernt sein. Manche Stücke sind so hauchdünn gearbeitet, dass man durch den Boden die eigene Hand durchscheinen sehen kann. Mit ihrer minimalistischen Ausgestaltung verströmen die Keramikgefäße einen zeitlosen Esprit. Und sie werden interessanter, je länger man sich mit ihnen beschäftigt: Dann treten aus den scheinbar simplen, handgeformten Objekten individuelle Unterschiede heraus. Dass ein einzelnes Gefäß seine konkrete Funktion nicht aufzwingt, ist Teil des Konzepts: Kodama Toki schafft Keramikobjekte, die ihren Benutzern alle Freiheiten lassen. Immer wieder neu. Ein Schluck Sake? Ein schönes Dessert? Eine Portion Wasabi? Passt alles hinein.

Kodama Toki

Keine Angst vor Farben

Neue Lieblingsstücke gab es auch bei Silvia K zu entdecken. Nach ihrem Abschluss in Ceramics and Visual Research im Jahr 2012 hat sich die Wahl-Britin im englischen Badeort Brighton niedergelassen. In ihrem Atelier kreiert sie Teller, Schalen und Platten, die ein bisschen herausstechen aus dem aktuellen Keramikangebot: „Das stimmt, ich habe keine Angst vor Farben“, erklärt die Designerin lachend, „das unterscheidet mich wohl von einigen anderen derzeit.“ Silvia Ks Keramikobjekte sind selbst produziert von A bis Z: Für jede Serie stellt sie eine eigene Tonmischung zusammen, auch die Farben sind aus Oxid-Pigmenten selbst gemischt. Das Ergebnis sind leuchtendes Orange, elegantes Mint oder sattes Petrol, jeweils in ein oder zwei breiten Streifen aufs weiß lasierte Geschirr gebracht. Zart, aber solide nennt Silvia K die Objekte, die sie von ihrem Atelier heraus auf die Esstische ihrer Kunden entsendet. Oft überlappen sich Grundierung und Farbe, oder es schaut ein wenig unbemalte, mit Bienenwachs behandelte Keramik an den Rändern heraus.

Silvia K

Wenn die Provokation mit auf den Tisch kommt

Am radikalsten wird das Thema nachhaltiges, langlebiges Design in diesem Jahr wohl vom design studio Morfujeme angegangen: Das tschechische Duo präsentiert grob ausgestanzte, metallisch schimmernde Tellerplatten, die unter anderem aus Rinderblut hergestellt wurden. „Für dieses Material gibt es in der Industrie kaum noch Verwendung“, erklärt Valérie Záhonová. Dabei fällt es beispielseweise in der Fleischproduktion ständig an. Warum also nicht nutzen, was ohnehin vorhanden ist? Záhonová und ihr Design-Partner Petr Vykoukal gehören zu einer Generation von Gestaltern, die ihre Aufgabe vor allem im Nachfragen und Erforschen gefunden haben. Sollte Nachhaltigkeit heute nicht bedeuten, vor allem aus Abfall- und Nebenprodukten etwas zu machen? Wie können Hemmschwellen gegenüber einem solchen Ausgangsmaterial abgebaut werden? Oder müsste man eigentlich ganz anders, noch viel grundlegender denken?

Morfujeme

Dabei möchten die jungen Tschechen gar nicht so sehr als Gestalter im Vordergrund stehen. „Was wir hier tun, haben andere schon vor uns getan“, betont Záhonová. Die Teller verstehen beide als praktische Anschauung, was im Produktdesign möglich wäre oder schon ist. Sie sehen schroff aus, besitzen dabei durchaus einen eigenen Reiz. Aber die Provokation kommt hier mit dem Objekt wortwörtlich mit auf den Tisch.

Morfujeme