Blick in eine gemütliche Kaffeebar bei Rewe-West, die in Braun- und Grüntönen gehalten ist und Mitarbeitende zum Austausch einlädt.

Wie wohnlich darf unser Arbeitsplatz sein?

Meeting-Areal mit Kaffeebar und Wohnzimmeratmosphäre: Wird so der Workspace zum Livingspace? Wir haben Innenarchitektin Susanne Brandherm getroffen, die eine sehr klare Vorstellung davon hat, was eine zukunftsfähige Arbeitsumgebung tatsächlich ausmacht.

 

Gemeinsam mit Sabine Krumrey leitet Susanne Brandherm seit 1999 das Büro brandherm + krumrey interior architecture. Ganzheitliches Denken, Zeitlosigkeit und Prägnanz prägen ihre Handschrift. Wir haben sie auf der Ambiente 2025 getroffen, wo sie im Rahmen der Future of Work Academy darüber sprach, was es eigentlich heißt, wenn der Arbeitsplatz zum Lebensraum wird.

2020 erlebte das mobile Arbeiten einen Boom, jetzt scheint der Peak überschritten. Ist der Home Office-Hype vorbei?

Brandherm: Tatsächlich erlebt das Arbeiten on remote einen Rücklauf. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Firmenpolitik umgestellt – eine hohe Präsenz an den Bürostandorten ist durchaus erwünscht. Meist geht es darum, die Loyalität der Firma gegenüber wiederherzustellen. Daher wird auch viel in die Attraktivität der Firmenzentralen investiert, etwa in Betriebsrestaurants oder Mind-Set Programme. Im Gegenzug schätzen die Mitarbeitenden die Vorteile des Büros, wie etwa die Ausstattung des Arbeitsplatzes, persönlichen Austausch und ein inspirierendes Umfeld.

Sie sprechen davon, dass der Workspace zum Livingspace wird. Sollen wir jetzt im Büro wohnen?

Brandherm: Der Begriff Livingspace bezieht sich auf alle Orte, an denen wir verweilen. Tatsächlich erlebe ich ja den größten Teil des Tages in meinem Arbeitsumfeld, daher sollte dies auch als Lebensraum gestaltet werden – egal ob Firmenzentrale, Home Office, Workingcafé oder Hotelzimmer.

Susanne Brandherm, brandherm + krumrey interior architecture. © b-k-i
Adieu 80er-Jahre Tristesse, willkommen Future of Work: das neue Meeting-Areal bei Rewe-West. © Joachim Grothus / b-k-i

Die Arbeitswelt ersetzt also mein Zuhause?

Brandherm: Nein, überhaupt nicht. Für mich persönlich ist es sogar sehr wichtig, die private und berufliche Sphäre zu unterscheiden. Es geht vielmehr darum, eine konstruktive Atmosphäre zu schaffen, in der sich Mitarbeitende wiederfinden und wohlfühlen – aber auch wieder nach Hause gehen möchten.

Wie sieht ein zeitgemäßer Workspace aus?

Brandherm: Die Umsetzung ist sehr vielschichtig. Es wird ja viel über multifunktionale Projekträume, Denk- und Telefonkojen gesprochen. Aber es geht auch um Aspekte wie die generelle Erreichbarkeit, Parkplätze und E-Mobility bis hin zu Duschen für diejenigen, die mit dem Rad kommen. Und natürlich wollen wir ein Ambiente schaffen, das zum produktiven Verweilen einlädt. Akustik ist ein großes Thema, das inzwischen große Gestaltungsmöglichkeiten bietet. In der Ausstattung lassen wir uns auch von Materialien und Lösungen aus den verschiedenen Bereichen der Innenarchitektur inspirieren.

Ausgezeichnet mit dem Award „Best Workspace“: Umbau des Bürostandorts von Art Invest Real Estate in Düsseldorf. © Joachim Grothus / b-k-i
Raum für Ruhe im sonst eher offenen Ambiente. B-K-I für Art Invest Real Estate. © Joachim Grothus / b-k-i

Nicht jeder Workspace passt zu jedem Menschen. Wie gehen Sie vor?

Brandherm: In unsere Projekte fließen neben der Firmenphilosophie auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit ein. Teil unserer aufwendigen Analyse ist die Erstellung von Personas, anhand derer wir ermitteln, mit welchen Typen von Menschen, Lifestyles, Notwendigkeiten und Wünschen wir es in dem jeweiligen Unternehmen zu tun haben. Die daraus entstehenden Moodboards können mitunter interessante Differenzen aufzeigen. Die Kunst ist es dann, eine Gestaltung zu finden, die möglichst viele Menschen erreicht, ohne beliebig zu werden.

Analyse, Umbau, Kosten: Schreckt die Unternehmen nicht der Aufwand?

Brandherm: Natürlich gibt es Projekte, bei denen wir alles neu denken und konzipieren müssen, aber sehr oft arbeiten wir auch im Bestand. Wiederverwendbarkeit und Wandelbarkeit stehen dabei im Fokus unseres nachhaltigen Ansatzes, der nicht nur Ressourcen, sondern oft auch Kosten spart. Sie glauben gar nicht, welche Design-Schätze wir teils bei den Unternehmen vorfinden, die wir neu in die Gestaltung einbinden können.

Willkommen Zukunft: Start-up Campus der Uni Paderborn, gestaltet von B-K-I. © Joachim Grothus / b-k-i

Welches ist Ihr aktuelles Lieblingsprojekt?

Brandherm: Wir haben viele tolle Projekte, aber ein besonders schönes ist der Umbau in der Rewe-Zentrale in Köln. Auftrag war, einen Seminarraum aus den 80er-Jahren in ein zeitgemäßes Meeting-Areal umzugestalten. Die Gesamtgröße des unglücklich lang gestreckten Raums musste dabei erhalten bleiben, da dieser auch für Town Hall Meetings und ähnliches genutzt wird. Durch unsere neue Zonierung entstanden ein großes und ein kleines Meeting-Areal sowie ein Workingcafé, die separat oder gemeinsam bespielt werden können. Das erdrückende 80er-Jahre-Raumgefühl lösten wir durch die partielle Entfernung der Deckenabhängung auf. Technisch war das nicht ganz einfach, aber der Effekt ist sensationell. Diesen Kniff haben wir übrigens auch beim Umbau der Rewe-Kantine genutzt, für die wir gerade den German Design Award 2025 erhalten haben.

Bauen im Bestand: Offene Decke und intelligente Zonierung im Rewe-Meeting-Space. © Joachim Grothus / b-k-i
Mehr Licht und Leichtigkeit. Die Rewe-Kantine wurde mit dem German Design Award 2025 ausgezeichnet. © Joachim Grothus / b-k-i
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