Mehr Transparenz, bitte!

Im Job, beim Lebensmitteleinkauf und in der Politik – Transparenz ist seit einiger Zeit in aller Munde und praktisch überall gefragt. Aber auch Gestalter und Kreative haben durchsichtige Materialien wiederentdeckt; auf den Fashion Weeks lief kaum ein Model ohne durchsichtiges Hemd oder transparente Tasche über den Laufsteg. Wir stellen fest: In unserer heutigen Gesellschaft ist Transparenz nicht mehr nur ein mentales Statement, sondern ein bereicherndes Stilelement unseres Alltags.

Subtile Gestaltungsfreiheit

Offenheit, Absicherung, Kälte und Leichtigkeit; schon das Wort Transparenz suggeriert uns die unterschiedlichsten, teilweise sogar höchst paradoxen Assoziationen. Aber auch auf gestalterischer Ebene bieten transparente Materialien viel Raum für Subtilität, Abwechslung und Experimente. Mit der Zeit ist Transparenz zu einem Stilelement gereift, das in Tischkultur, Möbeldesign und der Modewelt einen festen Platz eingenommen hat. Selbst Architekten begeistert der neue Trend zur Durchsichtigkeit: Offene Raumkonzepte und großzügige Fensterfronten wirken modern, optische Leere soll für mentale Klarheit sorgen, subtiler Lichteinfall der Seele schmeicheln.

Reflections Copenhagen
Forty Five Ten, Hudson Yards, New York

Gläserne Verspieltheit

Bei den Materialien symbolisiert vor allem Glas den neuen Trend zur Transparenz und ist insbesondere in Kombination mit anderen Materialien interessant.Edel wirkt die Kombination mit warmen Metallen wie Kupfer, Messing und Gold, wie zum Beispiel die Tischlampe von Crisbase aus klarem Glas mit Diamant-Optikeffekt und gebürsteten Messingmetallen. Fast pompös dagegen präsentieren sich bunte Glaskristalle, deren Opulenz durch Lichtspiele und reflektierende Materialien noch unterstrichen wird.

Ein diesbezügliches wahres Meisterstück gibt es im Luxushotel The Fontenay in Hamburg zu sehen. Dort besteht die Kuppel des Atriums aus geschosshohen Scheiben in drei Farbtönen, die über eine Kanteneinspeisung beleuchtet werden. Beeindruckend ist bei dieser Installation aber auch, dass sie trotz visueller Reizüberflutung den Kuppelsaal noch weitläufiger erscheinen lässt.

Wiartglass
Yanling Jianye The Mist Hot Spring Resort, Henan, China, © W Workspace
The Fontenay, Hamburg, © Jochen Stüber
Merry Crystals

Es muss jedoch nicht immer exzentrisch sein: Auch dezentere Akzente können Glas ausdrucksstark wirken lassen. Vasen und Spiegel in warmen Farben beispielsweise, gesehen bei Blomus und Miss Etoile, sowie Pflanzen in einem Glasbehälter suggerieren dem Betrachter Wärme und eine gewisse Art von Geborgenheit.

1 Spiegel von Blomus
2 Brille von Have A Look
3 Parfümflakon von Miss Etoile
4 Briefbeschwerer von Mossapour
1 Spiegel von Blomus
2 Brille von Have A Look
3 Parfümflakon von Miss Etoile
4 Briefbeschwerer von Mossapour
Dibbern
Collevilca

Imperfektion und Gegensätze

Dem Trend zum handwerklichen Look entsprechend, müssen transparente Accessoires auch keineswegs vollkommen aussehen. Imperfektionen wie Blasen oder Unebenheiten lassen sie lebendiger und weniger kühl erscheinen, Natürlichkeit und haptische Qualitäten machen sie griffig, neonfarbige Glaskugeln funktionieren mit natürlichen Relieflandschaften. Auch das Spiel mit Gegensätzen funktioniert wunderbar. Denn durchsichtige Materialien verschaffen jedem noch so schweren Material wie Beton, dunklem Marmor oder dunklem Holz die nötige Leichtigkeit.

1 Platzteller von Villeroy & Boch
2 Karaffe von Edwanex
3 Blumentopf von Nude
4 Kuchenplatte von Gabriela Seres

Transparente Tischkultur

Auch in unsere Tischkultur hat der Trend Transparenz Einzug gehalten und das bekannte Sprichwort „Das Auge isst mit“ bekommt einen doppelten Sinn: Unsere Mahlzeiten sollen nicht nur hübsch serviert werden, sondern wir möchten auch sehen, was auf den Tisch kommt. Transparente Schalen und Gläser können nichts verheimlichen, selbst wenn sie in Bernsteinoptik oder warmen Karamelltönen gefertigt wurden.

Weniger zweckgebunden, aber dafür umso dekorativer, sind dagegen durchsichtige Accessoires wie Henkel und Griffe an solidem Keramikgeschirr. Einen Kompromiss aus Durchsicht und Dekoration bietet wiederum die ausgewogene Mischung aus blickdicht und transparent. Besonders originell ist in diesem Sinne die zunächst sehr barock anmutende Besteckserie Luna von Rivadossi, in deren transparenten Griffen kleine Silber- und Goldplättchen zu schweben scheinen.

1 Paravent von Kare
2 Glas von Normann Copenhagen
3 Tasse von Eilong
4 Schale von Eisch
5 Besteck von Rivadossi
6 Lampe von Crisbase

Mode mit Durchblick

Was in Tischkultur, Möbeldesign und Architektur mittlerweile nicht mehr zu übersehen ist, ist selbstverständlich auch in der Modewelt präsent. Chanel, Balenciaga, Marni oder Céline: Die großen Modehäuser lassen in dieser Saison so richtig durchblicken. Transparente Taschen, Schuhe, Mäntel und Kleider aus Plastik, Netzstoff oder Tüll hängen momentan in fast jeder Boutique. Unser Fazit dazu lautet: Der Modetrend, der auf den ersten Blick untragbar und abgehoben scheint, ist in der richtigen Kombination absolut alltagsfähig, stylisch und vor allem vielfältig. Denn je nachdem, was unter der transparenten Schicht getragen wird, verändert sich auch der Look. Farben und Formen sind dabei keine Grenzen gesetzt, die Palette reicht von diskreter Subtilität bis zu maximaler Aufmerksamkeit.

Fendi
LOQI
Maleras