Geschirr in Erdtönen und im Keramik-Style platziert auf einem rustikalen Holztisch.

Revival des Rustikalen.

Steinzeug, Steingut, Terracotta oder Porzellan im Handmade-Look: In der Gastronomie hat sich der Trend zu mehr Natürlichkeit auch auf dem Tisch durchgesetzt. Durchsichtige oder farbige Glasuren, organische oder geometrische Formen, Dekore wie handgemalt oder antike Motive unterstreichen die Individualität eines jeden Hauses und bieten viel Spielraum zum Anrichten der Speisen. Die Keramik-Familie ist an Vielseitigkeit nicht zu übertreffen.

 

Es ist gar nicht so lange her, da speiste man rund um den Globus in bodenständigen Lokalen ebenso wie in anspruchsvollen Restaurants fast ausnahmslos von weißen Tellern. In der Sterneküche galt feines, weißes Porzellan als das Nonplusultra, da es die ideale Bühne für die exklusiven Speisen lieferte. Nichts sollte von den kulinarischen Köstlichkeiten ablenken, die wie auf einer weißen Leinwand aufwändig in Szene gesetzt wurden. Dass sich das weltweit gründlich gewandelt hat, bemerkt man in der Gastronomie auf den ersten Blick. Im gleichen Maße wie sich die Speisekarten änderten – gesünder und fotogener soll das Essen heute sein – wurden die Küchenchef*innen auch bei der Tischausstattung experimentierfreudiger.

Serax (Foto © Chris Vlegels)
Luzerne

Bekannter Vorreiter war René Redzepi, der im Noma in Kopenhagen seine ausgefallenen Menüs auf handgetöpferten Tellern und Schalen des dänischen Vater-Sohn-Gespanns Aage und Kasper Würtz servierte. Nach und nach eroberten Steinzeug, Terracotta und Co. die Tische der Welt und die Herzen der Gäste gleich mit. Die Bandbreite der Designs reicht von minimalistisch wie bei der Steingut-Serie „Mod“ des Labels Luzerne aus Singapur bis hin zu Muschel- und Blütenformen wie bei „Inku“ von Serax. Mobiliar aus Massivholz, Besteck und Gläser im Antikfinish, Servietten aus Leinen und eine Deko aus getrockneten Blumen komplettieren oft das natürliche Ambiente. Die Keramikliebe begrenzt sich übrigens keineswegs auf den Gastro-Bereich, sondern ist längst auch Zuhause angekommen. Im letzten Jahr titelte das New Yorker Lifestyle-Magazin Town & Country: „The Glazed Age: The Year Everyone Became a Ceramicist“. Der Hashtag #pottery trendet auf Instagram in vielen Kombinationen und selbst Schauspieler Brad Pitt setzte sich an die Töpferscheibe.

Kleine Keramikkunde

Keramik punktet mit Eigenschaften wie Vielseitigkeit, Langlebigkeit und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten. Aber was genau versteht man eigentlich unter Keramik? Das Wort selbst stammt aus dem Altgriechischen. „Keramos“ war sowohl die Bezeichnung für Ton, als auch für die aus ihm durch Brennen hergestellten Erzeugnissen. Heute wird Keramik als Oberbegriff für Geschirre und Ziergegenstände verwendet, die aus tonhaltigem Material oder direkt aus Ton gefertigt werden. Fachleute differenzieren zwischen Steinzeug, Feinsteinzeug, Steingut, Majolika und Terrakotta – auch Porzellan gehört zur Großfamilie der keramischen Arten. Die Werkstoffe unterscheiden sich in der Zusammensetzung der verschiedenen Erden, die dafür ausschlaggebend ist, bei welcher Temperatur ein Teller gebrannt werden kann bzw. wie oft er in den Brennofen muss. All diese Faktoren wiederum sind entscheidend, welche Glasuren verwendet werden können, wie die Dekorfarben aussehen und wie widerstandfähig das Geschirr im täglichen Gebrauch ist.

Playground
RAK Earth

Natur pur bringt Terrakotta auf den Tisch. Der warme Rotton der „gebrannten Erde“ ist ideal für das Outdoor-Dining. Interessante Kontraste schaffen farbige Glasuren wie bei der Kollektion „Jardim“ von Playground, einer Marke der BHS tabletop. Einige Hersteller haben spezielle „Massen“ – so nennt man das Rohmaterial aus dem Geschirr gefertigt wird – entwickelt, die Teller, Tassen & Co. noch kantenbeständiger, also haltbarer machen sollen. Bei RAK Earth erhält Porzellan dank eines patentierten Verfahrens das Aussehen von echter Terrakotta und Ton. Vier Serien und unzählige Dekore schaffen interessante Kontraste für die Küchen der Welt.

Natürlich, authentisch, außergewöhnlich

Das Revival der rustikalen Geschirre, die zuletzt in den 1970er Jahren ähnlich beliebt waren, kommt nicht von Ungefähr. Zum einen bedient Keramik die Sehnsucht nach Handgemachtem als Gegenpol zu unserer digitalen Welt. Wir umgeben uns gerne mit natürlichen, außergewöhnlichen Materialien, wollen bewusst mit den Dingen umgehen. Zum anderen beeinflussen Bewegungen wie Farm-to-Table oder Zero Waste die Entwicklung auf dem Tisch. Dazu kommen Trends im Foodbereich wie die gemüsereiche levantinische Küche, die italienische Pinsa, die ihren Ursprung im antiken Rom hat oder veganisierte Rezepte wie Chili sin Carne. All diese Speisen wirken auf Tellern im Keramik-Style schlichtweg authentischer.

Gewollte Asymmetrien, unvollkommene Lasierungen oder Risse machen jeden Teller zu einem echten Unikat. Manchmal wird den Geschirren auch mit einer Patina – also einer Oberflächenstruktur, die wie eine natürliche Alterung wirkt – zusätzlich ein interessanter Used-Look verpasst. Das Ergebnis: perfekt unperfekte Geschirrteile, wie bei „Forager“ von Steelite. Die Glasur fließt frei über die organischen Formen, der Boden bleibt unglasiert für eine natürliche Haptik. In fünf natürlichen Farbstellungen sorgt die Kollektion „Perfect Match“ von Heart&Soul für den individuellen Touch. Das Label ist das jüngste Markenmitglied der BHS tabletop.

Heart&Soul
Steelite

Eine wichtige Rolle spielen die sogenannten reaktiven Glasuren. Diesen Effektglasuren sind kleine metallische und/oder mineralische Partikel beigemengt, die im Brennofen miteinander reagieren und einzigartige Muster kreieren, die auf jedem Stück ein bisschen anders ausfallen. Gut zu sehen beispielsweise bei der Serie „Magmatic“ von Palmer, die auf dem schlichten Steingut ein wahres Farb-Feuerwerk entfacht. Auch bei der Serie „Bosque“ von Zieher gleicht durch das Farbenspiel verschiedener Grün-, Blau- und Grautöne kein Teil dem anderen.

Palmer/Wegter
Zieher

Auf den Teller kommt es an

Weg vom Schubladendenken hin zum individuellen Stil, ist das erklärte Ziel in der Profiküche und wird zum Beispiel in Spanien mit dem treffenden Begriff „cocina de autor“ (dt. „Autorenküche“) bezeichnet. Genauso unverwechselbar soll die Tischausstattung sein. Monochrome Reliefs, vollflächige Dekorationen oder buntes, handbemaltes Steinzeug wie bei der Mix-and-Match-Serie „Feast“, die der britisch-israelische Koch und Foodautor Yotam Ottolenghi mit Serax entwickelt hat, hier findet jedes Gericht seinen Lieblingsteller für den perfekten Auftritt.

1 „Alhambra“ von Bonna / 2 „Junto“ von Rosenthal / 3 „Amazonia“ von Casa Alegre / 4 „Terra“ von Seltmann Weiden – Hotel / 5 „Feast“ by Yotam Ottolenghi von Serax / 6 „Clay“ von Thomas / 7 „Caractère von Revol / 8 „Crafted“ von like. by Villeroy & Boch / 9 „Variété“ de Soleil von ASA Selection.
Casa Alegre

Keramikland Portugal

Eine Hochburg in Sachen Keramik und Töpferkunst ist Portugal. Schon vor gut 17.000 Jahren stellte man dort einfache Gefäße aus Ton her. Als später die Römer und die Araber ins Land kamen, wurden die Techniken verfeinert. Neben vielfältiger Gebrauchskeramik prägen die Fliesen, die meist in Blau und Weiß gehaltenen Azulejos, das Erscheinungsbild vieler Städte. Sie bedecken die Außenfassade der Häuser mit beeindruckenden Mustern oder auch figürlichen Darstellungen und schützen die Gebäude vor Hitze und Feuchtigkeit.

Im ganzen Land gibt es unzählige kleine Töpfereien und große Fabriken. Eines der Keramikzentren ist die Gegend um Aveiro ca. 60 Kilometer südlich von Porto, wo die portugiesische Keramik-Route startet – ein Anziehungspunkt für viele Touristen. Dort ist auch Casa Alegre beheimatet. Inspiriert vom Kunsthandwerk und Landhausstil lädt die Serie „Rustic Blend“ zum authentischen Genießen ein. Auffällige reaktive Glasuren wie bei der neuen Kollektion „Lazuli“ von Grestel sind ebenfalls typisch für die Kollektionen, die südländisches Flair und Urlaubsstimmung vermitteln.

Grestel

Tafeln wie in der Antike

Auf eine Zeitreise nimmt uns der türkische Hersteller Bonna mit seiner Kollektion „Mesopotamia“ mit. Inspiriert von den Mosaiken der antiken Städte Zeugma und Efes ist die Serie der Wiege der Zivilisation, dem fruchtbaren Zweistromland Mesopotamien gewidmet. Jedes Teil zeigt ein anderes Mosaikmotiv, die alle untereinander kombiniert werden können. Eine spezielle Technik ermöglicht die strahlenden Farben und die detailgetreue Dekoration auf feinem Porzellan. An Serien wie „Mesopotamia“ wird deutlich, dass das Geschirr ein wichtiger Faktor im gastronomischen Gesamterlebnis ist. Ausgefallene Dekore und Formen sorgen ebenso für Gesprächsstoff wie erlesene Speisen und Getränke. Sie schaffen unvergessliche Genussmomente als Ausdruck individueller Gastlichkeit.

Bonna

Titelbild: RAK