Typisch Frankfurt! Auch die Altstadt wird neu. Tradition und Zukunft verschmelzen im pulsierenden Kern der Stadt, der mit einem Mix aus historischen und modernen Bauten ein weiteres architektonisches Highlight bietet. Wo einst die Fundamente für die Wirtschaftsmetropole gelegt wurden, laden heute Museen, Galerien und Designstores zu Kunst und Kultur ein. Und jede Woche gibt es in dem lebendigen Quartier mehr zu entdecken.
Comeback der Altstadt
Bald können Besucher von Frankfurts Mitte die Bebauung des 19. Jahrhunderts mit ihren Fachwerkhäusern, Gassen und Plätzen neu erleben. Fünfzehn Häuser sind originalgetreu rekonstruiert, allesamt absolute Schmuckstücke mit reichen Verzierungen. In ihnen und in 20 Neubauten entstehen Cafés, Restaurants, eine Kaffeerösterei und gehobener Einzelhandel. Mittendrin, im Struwwelpeter-Museum, lernt man den bekann- ten Frankfurter Knaben aus dem Bilderbuch kennen. Auf dem Domhügel, den man schon in antiker Zeit besiedelte, erfindet sich die im Zweiten Weltkrieg untergegangene Altstadt thematisch neu. Für das, was im Quartier schon da ist, ein Glücksfall, denn Schönes zieht Schönes an. Kommen Sie mit auf eine Flaniertour, die mit köstlicher Schokolade, Kunst und trendigen Wohnaccessoires gepflastert ist.
Markt und Braubachstrasse
Echte mittelalterliche Mauern, so dick wie bei einer Burg, machen uns neugierig. Die Cafébar im Kunstverein (Markt 44) im so genannten Steinernen Haus ist aber alles andere als altertümlich. Wir sagen nur: ein imposantes, vier Meter hohes gotisches Kreuzgewölbe und helles Interieur mit Designklassikern. Hier lunchen Kreative, Künstler und Stadtschwärmer. Gleich gegen- über sieht man Rondell und Glaskuppel der Schirn Kunsthalle, eines der renommiertesten Ausstellungshäuser Europas, und schon die ersten Fassaden der neuen Altstadt. Wir stellen uns vor, wie hier die Kaiser auf ihrem Weg zum Dom vorbeischritten – denn vor dem Café ist der alte „Krönungsweg“ nachempfunden, etwas, was uns vor Ehrfurcht noch tiefer in die chilligen Sessel sinken lässt.
Weiter in die Braubachstraße, in der sich die Straßenbahnen die breite Schneise Richtung Museum für Moderne Kunst (MMK) mit dem Autoverkehr teilen. In den 1920er Jahren wehte das moderne Bauprojekt „Neues Frankfurt“ auch durch diese Straße. Ein Rest davon, das ehemalige Hauptzollamt – inzwischen externer Ausstellungsraum des MMK an der Ecke Domstraße – brachte 1927 klare Kanten in die Fachwerk-Altstadt. Natürlich bietet die Braubachstraße heute das, was man von einem bei Touristen aus aller Welt beliebten Ort erwartet: Souvenirs, Antiquitäten, Kunsthandwerk und Galerien. Vor allem aber ist sie für süßes Backwerk und Schokolade bekannt. Die französisch-japanische Pâtisserie Iimori (Braubachstraße 24) ist so ein Liebling im Quartier. An der extravaganten Inszenierung von leckeren Grüntee-Pralinen und Chiffon-Biskuitkuchen, in den USA bekannt als Angelfood Cake, kommen auch wir nicht vorbei. Alles ist homemade, auch die Tarte du Citron, die man unbedingt probieren sollte. Das elegante Vintage-Wohnzimmerfeeling sucht seinesgleichen und ist genau das Richtige für einen Matcha Latte oder einen kleinen Lunch an einem Shoppingtag.
Nebenan, im Restaurant Margarete (Braubachstraße 18–22), gibt es Kartoffelsuppe. Nicht irgendeine Kartoffelsuppe. Sondern die hohe Kunst der Suppe, wie überhaupt alles, was Küchenchef Simon Horn auftischt, eine unaufgeregte Spitzen- leistung ist. Die Frühstückseier kommen vom Bauern, die Nudeln sind selbstgemacht und das Gros der Weine stammt aus der Region. vorne Bistro, hinten Restaurant und dazwischen ein Ausstellungsraum mit Kunst und Literatur. Kein Hype-Laden, darauf bestehen die Macher. Seinen Namen verdankt das Restaurant übrigens der berühmten Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die vor fast einhundert Jahren ein ganz fabelhaftes Möbelstück erfand – die Frankfurter Küche.
Ein paar Schritte weiter kleben wir mit unseren Nasen an den Schaufensterscheiben von Bitter & Zart (Braubachstraße 14). Die ideenreich dekorierten Auslagen der Chocolaterie sind erste Sahne und haben inzwischen Kult-Status. Ebenso filmreif präsentiert sich der dazugehörige Café-Tee-Salon im Stil der Zwanziger Jahre. Wie in einem klassischen Wiener Kaffeehaus kann man es sich in gemütlichen Sitzecken und Nischen bequem machen, plaudern und genießen. Wohl jeder Gourmet meint im süßen Himmel zu sein: hausgemachte Heidelbeerküchlein, Tartes und Torten, Macarons, originelle Schokoladenfiguren, Pralinen und Süßwaren-Boxen im Retro-Look. Dazu Schlager der Zwanziger und Fünfziger Jahre zum Mitsummen.
Domstrasse
So eingestimmt, setzen wir unsere Zeitreise in der nahen Domstraße fort. Im Store von Last Century Modern in der Hausnummer 6 überwältigt eine Mischung aus klassischen Designobjekten, kuriosen Gadgets und limitierten Comic-Drucken und -Figuren. Hunderte Dinge sind auf zwei Ebenen arrangiert, vor allem aber haben Sammlerobjekte der belgischen Helden Tim & Struppi in diesem fabelhaften Paralleluniversum in Sichtweite des Doms ihren großen Auftritt. Außerdem gibt es Gentlemen-Stuff, Messer-Raritäten von Forge de Laguiole aus einem echten Stahlstück des Eiffelturms, Parfüms von Philly and Phill, Bio-Duftkerzen aus den USA und jede Menge feinen Nonsens, der an die Kindheit erinnert.
Wenig später dann eine völlig andere Welt. Bei Branco Azul (Domstraße 4) fühlt sich alles an wie ein Sommer in Portugal. Wunderschöne Landschaften, einsame Buchten, alte Kulturstädte und jede Menge gutes Essen. Wer möchte nicht dieses Flair am liebsten mit nach Hause nehmen? Von dem farbenfrohen Keramik-Geschirr über die typischen Plaids und Textilien für Küche und Bad bis hin zum Wein. Die Ladenbesitzerin hat viele persönliche Geheimtipps zusammengetragen, das meiste ist Handverlesenes aus kleinen Manufakturen und versteckten Keramikbrennereien, außerdem Unikate von jungen Designern und alten Familienbetrieben. Das Stöbern zwischen den authentischen Souvenirs macht mindestens so viel Spaß wie ein Strandspaziergang. Und direkt nebenan geht es zu Naschmarkt am Dom. Hier finden wir zwischen Kaffee und hausgebacke- nem Kuchen einen wunderbaren Mix von Geschenken, Accessoires und hessischen Spezialitäten.
Eigentlich sind die Innenarchitekten und Raumausstatter von Designer’s House (Domstraße 2) auf Großprojekte wie Luxus-Hotels spezialisiert, im Laden gibt es aber für alle anspruchsvolles Interior-Design zum Mitnehmen. Ausgefallene Leuchten, Taschen, Schmuck, Vasen, Lederportemonnaies, Möbel und viele weitere Wohnaccessoires füllen die Schaufenster. Nichts Ausgeflipptes oder Grellbuntes ist darunter, alles ist auf zeitlose Eleganz ausgerichtet.
Weckmarkt und Fahrgasse
Kleiner Abstecher zur zeitgenössischen Kunst? Dann weiter über den Weckmarkt in die Fahrgasse. In den ruhigeren Nebenstraßen hat sich ein Galerien-Quartier etabliert, wo hinter Fassaden aus der Nachkriegszeit meist junge Positionen gezeigt werden. Galeristin Kirsten Leuenroth (Fahrgasse 15) etwa hat sich auf figurative Meisterschüler-Malerei und Fotokunst spezialisiert, Tristan Lorenz (Fahrgasse 17) auf Video- und Lichtinstallationen. Eine beeindruckende Sammlung von hochwertigen Mid-Century-Designobjekten findet man in der Galerie Frank Landau (Braubachstraße 9). Die Sammlung ist riesig, ein Paradies voller Raritäten, die man kaufen und mieten kann. Willkommener Exot im gleichen Haus ist die Japan Art Galerie, deren puristische Atmosphäre hervorragend zur traditionellen und modernen japanischen Kunst passt, die in den Räumen präsentiert wird. Skulpturen, Gefäße, Kalligrafien und Malerei zeigen intensiven Minimalismus.
Römerberg
Kein Gang durchs Quartier ohne den Neubau des Historischen Museums (Römerberg/Saalhof). Gebaut wie ein gigantischer Speicher und gemacht, um die „Früchte“ der Stadt zu lagern: 60 Meter lang, vier Etagen, Schiefer auf dem Satteldach, das seinen Giebeln die Silhouetten der Altstadt nachbildet. 4.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, Platz für 4.000 Objekte. Geheimnisvoll ist bereits der Weg ins Stadtmuseum. Nur unterirdisch gelangt man ins Gebäude, was die Spannung erhöht. Innen bekommt das Auge ständig neue Reize, überall werden in Themenarealen Erinnerungen angestoßen und Exponate mit Geschichten verknüpft. Ein Roboterarm hievt „Schneekugeln“ mit enormem Durchmesser ins Foyer. Von Künstlern gestaltet, veranschaulichen sie Frankfurter Lebenswelten, und das origineller als jeder Stadtplan. Unser Favorit ist der Oldtimer aus den Frankfurter Adlerwerken, ein schnittiges Fahrzeug von 1938, das im zweiten Stock seinen Platz gefunden hat. In gut einer Stunde hat man beim Rundgang die wichtigsten Exponate gesehen. Den spannenden Input lassen wir noch mit einem Gläschen Frankfurter Kranz-Likör hochleben, den wir im stylischen Museumscafé entdecken. Tatsächlich steht der sanfte Schluck der berühmten Kuchenspezialität geschmacklich in nichts nach.
Die hessische Metropole macht es einem in ihrer traditions- reichen Mitte besonders leicht, sich wohlzufühlen, und mit der neuen Altstadt ist das Flanierquartier vollends zum Showroom für das herzliche und weltoffene Frankfurt geworden. Noch mehr individuelle Geschäfte und Galerien eröffnen, noch mehr liebevolle Manufakturen und noch mehr Cafés und Restaurants geben ihr Bestes. Das Quartier ändert sich, guter Stil bleibt.