Seit 22 Jahren ist er Objektleiter des Bereichs „Dining“ für die Messe Ambiente in Frankfurt. Grund genug, anzunehmen, dass man von Thomas Kastl so einiges Wissenswertes und Neues in Sachen Trends für Küche, Tisch und Gastronomie erfahren kann. Dass wir dann aber einen Mann trafen, der dieses Thema mit jeder Faser seines Herzens lebt, begeistert uns. Denn erfahren haben wir bei unserer Begegnung mit „Mister Dining“ neben spannenden Fakten zu seiner Arbeit auch jede Menge Schönes über Genuss, Liebe zum Detail und seine ganz persönlichen Leidenschaften.
Treffen der Kenner und Könner
„Sehr geradlinig, sehr gut durchdacht, sehr qualitätsbewusst. Und doch gibt es auch Ecken und Kanten, die das Ganze nicht zu durchgestylt wirken lassen“, lobt Thomas Kastl das Interieur und die Tischdekoration im Restaurant Stanley Diamond im Frankfurter Bahnhofsviertel. Das freut auch James Ardinast, einen der Macher des Lokals, der es sich nicht nehmen lassen möchte, den Dining-Experten persönlich zu begrüßen und sehr zu dessen Freude gleich auf ein Detail hinzuweisen: „Unsere schönen, schweren Kristall-Wassergläser haben wir auf der Ambiente entdeckt“, verrät der Frankfurter Gastronom und beweist in diesem Zusammenhang, dass auch er größten Wert auf Qualität und Details legt. „Die Glasböden haben wir mit unserem Schriftzug personalisieren lassen.“
Erfreuliche Trends und Entwicklungen
„Generell lässt sich sagen, dass der Markt für Produkte von gehobener Qualität wächst.“ Dies bezieht der Objektleiter, der bereits seit 22 Jahren für den Ambiente-Bereich „Dining“ verantwortlich ist, sowohl auf Privatkunden als auch auf die Zielgruppe des Fachhandels und den Bereichen Hotel, Restaurant und Catering (Horeca). Er vergleicht den Markt-Trend mit einer Eieruhr: „Wir haben natürlich den Basisbereich, quasi den unteren Teil, in dem Preis und Logistik eine maßgebende Rolle spielen und große Mengen abgenommen werden. Er ist nach wie vor der größte und hat sowohl fürs Gewerbe als auch für Privatkonsumenten eine wichtige Funktion, denn oft kommen hier Abnehmer erstmals mit Design und Trends in Berührung, zum Beispiel der Student, der seine erste Küche einrichtet. Oben indes, in dem Bereich, der sich auch als Premium- oder Luxus-Segment bezeichnen lässt, verzeichnen wir eine steigende Nachfrage. Es wird wieder mehr auf traditionelle Fertigung, klassische Designs, hochwertige Materialien und Nachhaltigkeit in der Produktion gesetzt.“ Den Feingeist und Gourmet Thomas Kastl freut das, denn dieser Trend geht auch einher mit einer generellen Rückbesinnung, oder wie er es nennt „Wiederbesinnung“, auf Werte, die über Küche, Tisch und Dekoration hinausgehen…
Savoir vivre
Werte. Ein wichtiges Thema für Thomas Kastl. Und das sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht. Nicht umsonst zählen zu den sage und schreibe 12 Geschirrserien, die er besitzt, auch Schätze, die sich seit 1918 im Familienbesitz befinden. „Mich begeistert ihre zeitlose Eleganz“, schwärmt er, und nennt als Beispiel einen deutschen Porzellan-Klassiker, der bis heute erhältlich ist und dessen klassizistisches Design „auch nach hundert Jahren nicht aus der Mode gekommen ist.“ Doch auch das moderne Service mit organischen Formen oder gewagten Mustern, das puristische Sushi-Equipment oder das rustikale Keramik-Geschirr fürs Barbecue zählen zum Portfolio für den perfekt gedeckten Tisch im Hause Kastl. Für jede Speise, jedes Motto das Passende! Denn die Werte, die es zu erhalten gilt, sind vor allem kultureller Natur. „Heutzutage geht es beim Essen oft leider nur um Nahrungsaufnahme. Zelebriert wird ein gemeinsames Mahl allenfalls an Feiertagen.“ Nicht so bei Thomas Kastl: Mit seiner Frau genießt er jeden Abend ein Drei-Gänge-Menü, „mit den passenden Tisch-Arrangements, korrespondierenden Weinen und natürlich auch der für Stimmung und Motto adäquaten Musik“. Er ist ein leidenschaftlicher Verfechter dessen, was in unserer schnelllebigen Zeit oft zu kurz kommt: Sinn für Genuss. Umso bedauerlicher findet er eine Statistik, die er kürzlich gelesen hat und die besagt, dass die meisten Lieferpizzen in Deutschland direkt aus dem Karton gegessen werden. „Eine traurige Unsitte. Jede Speise, sei sie noch so einfach oder schnell zubereitet, lässt sich schön anrichten und wie ein Festmahl zelebrieren.“ In diesem Zusammenhang kommt Thomas Kastl nicht umhin, seine „zweite Heimat“ Frankreich zu erwähnen: Seit über 26 Jahren besucht er regelmäßig die Côte d’Azur, liebt, wie die Franzosen es verstehen, ihr kulturelles und kulinarisches Erbe zu bewahren und zu pflegen. Ein Beispiel: „15 Jahre lang führte mich mein Weg an unserem französischen Domizil regelmäßig an einer Vorschule vorbei. Dort sah ich stets einen Aushang, den ich für einen Stundenplan hielt. Erst bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass es sich um den Speiseplan für die Kinder handelte. Und auf dem gab es keine ‚Kinderteller‘ wie Spaghetti oder Schnitzel, sondern täglich ein Menü mit drei Gängen samt Käsegang. Einmal war sogar ein zusätzlicher Vermerk ausgehängt, auf dem die Eltern um die Genehmigung gebeten wurden, für einen geringen Aufpreis mit Stoffservietten einzudecken. Das gibt schon sehr zu denken. Genuss, der Sinn für Genuss – das ist etwas, das man von klein auf lernen kann.“
Vom Restaurant in die heimische Küche
Thomas Kastl begutachtet mit Kennerblick die Tischarrangements, hebt Teller und Gläser an. Lachend entschuldigt er sich für diese „Berufskrankheit“ und zeigt uns einen Trick, wie sich der Qualitätscheck auch diskreter durchführen lässt: Er hebt den Butterteller nur leicht an und schiebt eins der auf Hochglanz polierten Messer darunter, um in der Spiegelung das Signet zu erkennen. Nach einem zufriedenstellenden Ergebnis kehrt er zurück zur „Wiederbesinnung“ auf Werte und Qualität: „Ihren Anfang nehmen die Trends für Küche und Tisch in der Regel in der Gastronomie. Zum Beispiel die Sous Vide- oder Niedergarmethode, die zunächst von renommierten Köchen populär gemacht wurde. Heute hält die Industrie auch Geräte und Equipment für den Hausgebrauch bereit, und so wird in unseren Küchen vermehrt wie bei den Profis gekocht, gegrillt und Drinks gemixt.“ Dasselbe, so der Ambiente-Experte, gilt für das Anrichten und Servieren: „Hersteller bieten Geschirre und Tischwaren an, die man bisher aus Restaurants kannte. Etwa lange Holztabletts, auf denen Behältnisse für Gewürze oder Dips präsentiert werden, oder große Teller mit Platz für passende Schälchen, um Beilagen und Saucen zu servieren.“ Zurück zum Wahren, Schönen, Guten also. Das zeigt sich auch im Handel, so Thomas Kastl: „Früher dienten beispielsweise hübsche Ölflaschen oder Glasdosen für Nudeln der Dekoration im Einrichtungsgeschäft. Heute boomt der Markt für hochwertige Lebensmittel in ansprechender Optik. Vor Jahren schon erkannte ich darin den Trend hin zum Gourmetshop, und in der Tat ist aus der Kreation und Präsentation von Themenwelten rund um den Genuss ein Geschäftsmodell mit Zukunft entstanden, das selbst in modernen Supermärkten Einzug hält.“
Jäger, Sammler, Chef de Cuisine
Terriyaki-Grills, Dampfgarer, Kaffeevollautomaten, japanische Messer, Barbecue-Smoker – Privat-Gourmets lassen sich ihr Hobby einiges kosten. „Vor allem Männer haben sich zur Zielgruppe für Hersteller hochwertiger Kochutensilien und Küchenartikel sowie exquisiter Lebensmittel entwickelt“, stellt Thomas Kastl fest und reiht sich gerne in die Gruppe derer ein, die das gemeinsame Kochen, Anrichten und Essen in entspannter Atmosphäre und bei einem guten Glas Wein als Gesamtkonzept für Genuss und Lebensfreude sehen. „Dem kochenden Mann sind viele neue Entwicklungen zu verdanken. So werden unsere Küchen immer intelligenter, die Vernetzung von Küche und IT wird immer ausgereifter, Kühlschränke erledigen den Einkauf, Geräte lassen sich über Apps steuern. Männer lieben Technik.“ Bleibt abschließend die Frage, wie modern es der Experte in seiner eigenen Küche hält? Thomas Kastl zückt schmunzelnd sein Mobiltelefon, einen uralten Knochen aus der Vorzeit der Smartphone-Ära.
„Ich persönlich bin da noch etwas traditioneller. Aber es gibt Novitäten, die wirklich beeindruckend sind, auch was innovative Materialien und Nachhaltigkeit betrifft, an denen man in einigen Jahren sicher nicht vorbeikommen wird. Das ist wichtig, denn wir wollen ja auch die kommenden Generationen dafür begeistern, worauf es ankommt: die Lust am Genuss.“