Gewusst wie – verdammt
guter Kaffee.

Kaffee hat Konjunktur. Und zwar gehörig. Die schwarze Flüssigkeit wird zu jeder Tageszeit getrunken, geliebt, zelebriert. Ob in Spezialitätencafés oder zu Hause: Neu ist die Lust an der Zubereitung, die das Handwerkliche würdigt und uns exquisite Geschmackserlebnisse beschert.

Immer mehr von ihnen sprießen wie Pilze aus dem Boden: Ladenlokale, die an Kreativitäts-Werkstätten erinnern, in denen es sagenhaft gut duftet. Denn hier geht es um das Ding an sich – um sachgerecht zubereiteten Kaffee. Vorbei die Zeiten, in denen man nicht wusste, woher der Kaffee stammt, oder Komponenten wie Ahornsirup, Milchfettgehalt oder Zimt ausschlaggebend waren. Geschmacksechtheit lautet die Devise. Sie ist auf dem Vormarsch und fördert eine neue Kennerschaft bei der Zubereitung und beim Genuss.

Der Geschmack beginnt bei der Bohne, und die wird in äquatornahen Zonen geerntet. Während afrikanischer Kaffee eher fruchtig schmeckt, hat Kaffee aus Brasilien eine schokoladigere Note. Die gängigsten Kaffeearten sind Arabica und Robusta. Robusta bestimmt in etwa 30 Prozent der Weltproduktion und wird etwa in Brasilien oder Westafrika auf 300 bis 800 Metern Höhe angebaut. Der höherwertige Arabica macht ca. 70 Prozent der globalen Produktion aus; er stammt aus Ostafrika, Lateinamerika, Indien und Papua Neuguinea. Aufgrund seiner Lage – der „Hochlandkaffee“ wird auf 600 bis 1200 Metern Höhe angebaut – dauert das Wachstum der Kaffeepflanze länger, die somit mehr Aromastoffe entfalten kann. Der hochpreisige Kopi Luwak wiederum durchläuft einen ungewöhnlichen Prozess: Freilebende Schleichkatzen in Indonesien fressen das Fruchtfleisch der Kaffeefrucht und scheiden den Kern, das heißt die Bohne, wieder in Gänze aus, was bei dieser zu einem gehaltvollen, erdigen Aroma führt.

© Horst A. Friedrichs

Weiterhin bestimmt die Röstung über den Geschmack. Für Kaffee werden die Bohnen 5 bis 13 Minuten lang geröstet, für Espresso bis zu 20 Minuten. Die längere Röstdauer senkt den Säuregehalt, weshalb empfindliche Mägen Espresso besser vertragen. Rösten fordert das Können eines Röstmeisters, der zwischen zahlreichen Farbschattierungen zu unterscheiden weiß. Zu hell bedeutet möglicherweise, dass der Kaffee sauer ist, zu dunkel könnte heißen: zu bitter. Hiervon ausgenommen ist grüner Kaffee, der in letzter Zeit zunehmend Konjunktur hat und zum Beispiel aus Peru kommt. Die Bohne wird nach der Trocknung nicht geröstet, wodurch sie einen hohen Gehalt der antioxidativen Chlorogensäure hat. Ob dieser Inhaltsstoff eine gewichtsreduzierende Wirkung hat, wird immer wieder intensiv debattiert.

Kaffeemühle von Creative Tops

Viele Bohnen, viel Geschmack. Dieser Vielfalt kann man nun in speziellen Cafés, wie dem Berliner „Bonanza Coffee Heroes“, nachspüren; es sind Orte, die die Kunst der Kaffeezubereitung zelebrieren. Vom verantwortungsbewussten Einkauf der Bohnen über die – oftmals hauseigene – Röstung und den richtigen Mahlgrad bis hin zu Zubereitung und Ausschank, bei jedem Schritt stehen Qualität und die Liebe zum Produkt im Fokus.

1 Kaffeefilterkanne und Kaffeemühle
von Stelton
2 Kaffeezubereiter-Set von Kinto
3 Kaffeezubereiter-Set von Hured
4 Filter von Zero Japan

Der Fotograf Horst Friedrichs hat diese Szene weltweit erkundet und in seinem gerade bei Prestel erschienenen, fabelhaften Bildband „Coffee Style“ porträtiert. „Die Entwicklung nahm ihren Anfang in Kalifornien, und anfangs war es ein Phänomen der Subkultur“, so Friedrichs, „doch der Trend weitet sich immer mehr aus – es ist wie bei Wein und Tee und wird zum Lifestyle“. Seine Fotos sprechen davon, welch schöne Allianz Kaffeekennerschaft und Stilbewusstsein mitunter eingehen. Ökologisch verträglicher Anbau, Fair Trade und Nachhaltigkeit werden bei den neuen Kaffee-Meistern ganz groß geschrieben. Intelligentsia Coffee aus Chicago etwa stellt auf seiner Webseite ausführlich alle Kaffeesorten mit Anbaugebiet, Geschmacksrichtung, Erntezeit und Namen des Kaffeebauern vor. An die Kunden wird die Geschichte eines Produktes gern auch in Blogs oder auf den Verpackungen weitergegeben.

© Horst A. Friedrichs

Die neue Spezialitätenkaffeebewegung wird auch als „Dritte Welle“ bezeichnet. Bei der ersten Welle wurde Kaffee von Herstellern wie Jacobs zu einem Massenkonsumgut. Die zweite Welle löste Starbucks aus; das Unternehmen setzte erstmals auf „Single Origins“, also Kaffee von nur einer Bohnensorte im Gegensatz zu minderwertigen Verschnitten, kombiniert mit den bekannten Individualisierungsoptionen. Die dritte Welle zeichnet sich neben der Nachhaltigkeit durch ein Faible für Ästhetik und Handwerklichkeit aus. Handwerk ist der Inbegriff des gut Gemachten, Bodenständigen. Dafür sind Kennerschaft, Aufmerksamkeit und Präzision im Detail notwendig, zugleich steht das Handgemachte für eine sinnliche Erfahrung, die in Zeiten der Digitalisierung einen neuen Reiz hat.

Dripper, Papierfilter, Wasserkocher und Kaffeemühle von Hario
Yuppiechef Blog

Auch für den privaten Gebrauch ist die Handzubereitung ideal. Sie ist nicht aufwendig und das Verfahren ermöglicht maximale Kontrolle bei der Zubereitung sowie Geschmacksintensität. Um selbst richtig guten Kaffee zu kochen, sollte man allerdings ein paar Dinge beachten, angefangen beim Mahlen der Bohnen. Wer bereits gemahlenes Kaffeepulver kauft, beraubt sich von vornherein einer möglichen Feinheit des Geschmacks. Viel schöner ist es, direkt vor der Zubereitung die nötige Menge Bohnen zu mahlen. Das Angebot an Kaffeemühlen, von Klassikern bis zu handlichen, modernen Reisemühlen, bietet für jeden das Richtige. Für eine Tasse Kaffee braucht man ungefähr 15 bis 17 Gramm Bohnen. Hinein in die Mühle, dann dreht, oder kurbelt, und – ah, welch Duft!

1 Kaffeefilterkanne von Leopold Vienna
2 Kaffeemühle von Zassenhaus
3 Kaffeefilterkanne von Kitchen Craft
4 Kaffeefilterkanne und Wasserkocher
von Bialetti

Für den Aufguss gibt es im Wesentlichen zwei Verfahren: per Filterguss oder Pressstempel. Ersterer wird auch als „Pour over Coffee“ bezeichnet. Dafür benötigt man einen Filter bzw. Filteraufsatz, Filterpapier und einen Becher, Tasse oder Kanne, in die der Kaffee fließt. Die auch als „Dripper“ bezeichneten Filter gibt es aus Glas, Plastik, Edelstahl und Porzellan und ihr Innenleben reicht von glatt über geriffelt bis spiralförmig, mit kleiner oder großer Öffnung. Spülen Sie das Filterpapier kurz mit heißem Wasser aus, das entfernt kleine Papierpartikel und neutralisiert den Geschmack. Befüllen Sie den Filter mit frisch gemahlenem Kaffeepulver. Bringen Sie das Wasser zum Kochen und lassen Sie es für eine halbe bis eine Minute stehen, so kühlt die Temperatur auf ca. 95 Grad ab, was den Aromen eine bessere Entfaltung ermöglicht. Gießen Sie den Kaffee dann langsam mit kreisenden Bewegungen auf.

Beim Pressstempelverfahren (die Geräte sind auch als French Press, Cafetière, Plunge Pot oder Coffeepress bekannt) wird loses Kaffeemehl in eine Glaskanne gegeben und mit abermals leicht abgekühltem Wasser aufgegossen; das Ganze einmal umrühren. Auf die Kanne wird der Stempeldeckel aufgesetzt und der Kaffee zieht 4 Minuten lang in der Kanne. Danach drücken Sie den Stempel nach unten, sodass der Kaffee am Boden der Kanne zusammengedrückt wird. Wenn Sie nicht sofort den gesamten Inhalt der Kanne ausschenken, denken Sie daran, dass der in der Kanne verbleibende Kaffee noch weiter zieht und stärker wird.

Cafetière und Zubehör von Barista & Co.

Und schließlich gibt es noch die Aeropress, die eine Mischung aus Guss- und Stempelverfahren bietet. Welche Methode man wählt, wirkt sich im Übrigen auch auf den Mahlgrad aus. Für Pour-Over muss man den Kaffee recht körnig mahlen, aber nicht so grob wie für die French Press, bei der der Kaffee grobem Meersalz ähnlich sein sollte. Die Grundregel lautet: je länger der Kontakt von Kaffeemehl und Wasser, desto gröber der Mahlgrad.

Gestaltungsmöglichkeiten steigern den Genuss. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der steigenden Beliebtheit von einschlägigen Lehrangeboten wider. Ob es darum geht, bei einer als „Cupping“ bezeichneten Kaffeeverköstigung möglichst viel herauszuschmecken oder ein Barista-Zertifikat zu erlangen, um den perfekten Milchschaum zaubern zu können (Stichwort „Latte Art“) – Kaffeegenießer sind immer öfter bereit, auch ohne professionelle Ambitionen Geld für Wissenszuwachs auf diesem Gebiet auszugeben.

Kaffeefilterkanne von Kinto
1 Coffeepress von WMF
2 Kaffeemühle von Zassenhaus
3 Cafetière von Aerolatte
4 Thermo-Cafetière von Po Selected
5 Verschlussklammer von Barista & Co.

So gilt die für die „Dritte Welle“ so typische Kombination aus Ästhetik, Handwerklichkeit und Kennerschaft sowohl für die Betreiber der Coffee Locations als auch für die Konsumenten. Für Horst Friedrichs ist denn auch die Begeisterung, mit der sich alle Beteiligten dem Kaffee widmen, von entscheidender Bedeutung: „Das sind weitgehend Enthusiasten. Und wenn Leute wirklich Spaß an etwas haben, kommt meistens etwas Gutes dabei heraus.“