Was eint Mark Braun, Cecilie Manz, Sebastian Herkner und die Designstudios Ding3000, Kaschkasch und Speziell? Richtig: All diese Designer*innen haben zu Beginn ihrer Karriere bei den Talents ausgestellt und ihr Können einem internationalen Publikum präsentiert. Seit über zwanzig Jahren liefert das begehrte Förderprogramm der jungen Design-Avantgarde handfeste Starthilfe in den Konsumgütermarkt und hat dabei schon einige Sterne aufgehen sehen. Im kommenden Februar starten mit der Ambiente 2023 auch die Talents wieder durch. Ein schöner Anlass zu schauen, welche Karrierewege die Teilnehmer*innen von damals eingeschlagen haben.
Ein Talent, das es seit seinem Auftritt auf der Ambiente 2006 fraglos ganz nach oben geschafft hat, ist Mark Braun. Mit seinem Studio in Berlin entwirft er heute Produkte für Kunden wie Conmoto, E15, KPM Berlin, Mono, Nomos Glashütte, Raumgestalt und Thonet. Auch die Liste seiner Designpreise ist beeindruckend. Dennoch bleibt der Industriedesigner und gelernte Tischler als Person auffallend geerdet, was sich auch in seinem handwerklichen und nachhaltig geprägten Designansatz widerspiegelt. Vor 16 Jahren hatte er bei den Talents die Porzellan-Serie „Join“ präsentiert, die daraufhin von ASA Selection realisiert wurde. „Die Talents sind eine der relevantesten Plattformen im Produktdesign für junge Gestalter*innen in Deutschland und darüber hinaus. Für mich persönlich war es ein wichtiger Schritt in die Selbstständigkeit mit wertvollen Kontakten, die bis heute bestehen, und mit vielen Produkten, die in Serie gingen. Ganz aktuell die Zusammenarbeit mit Mono“, berichtet er.
Auf den Frankfurter Messen ist Mark Braun regelmäßig mit mehreren Entwürfen zu sehen: „Ring“ heißt eines seiner derzeitigen Lieblingsprojekte, bei dem er für Mono das ikonische Design von Peter Raake weiterentwickelt hat. Über seinen Lehrstuhl an der HBKsaar hinaus engagiert sich Mark Braun mit den German Design Graduates aktiv für den Designnachwuchs: „Es freut mich sehr, dass ich mit meinem Engagement für diese Plattform wiederum junge Gestalter*innen mit den Talents verknüpfen und fördern kann. So schließt sich der Kreis.“
Von Karrieren wie von Mark Braun träumen viele junge Designer*innen. In den vergangenen messefreien Zeiten mussten sie sich allerdings mehr denn je fragen, wie sie Kontakte in die Industrie knüpfen können. Gut, dass die Talents zur Ambiente 2023 zurückkehren. Denn Plattformen wie diese bieten vielversprechenden Newcomern die Chance, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und die entscheidenden Menschen zu treffen. So wie auch Sebastian Herkner. Er präsentierte sich 2008 bei den Talents und erntete mit dem Entwurf seiner Leuchte „Nan16“ viel Beachtung. Heute gilt er als einer der besten zeitgenössischen Gestalter.
Auch Cecilie Manz war schon früh dabei. 2004 zeigte sie unter anderem eine Serie an Boxen und Schatullen: einfache, aber wahrhaft edle Schatzkisten für Schmuck, Accessoires und sentimentale Objekte. Diese bestechende Simplizität gepaart mit skandinavischer Tradition prägen bis heute ihren Designansatz wie einer ihrer aktuellen Entwürfe zeigt: die CMA CLAY Kollektion für 1616/Arita Japan (2021).
Spezielles Jubiläum
Ebenfalls 2004 startet das Designstudio Speziell durch. 2002 gegründet, feiert das Trio in 2022 sein zwanzigjähriges Jubiläum – und zwar in der ursprünglichen Besetzung mit Sybille Fleckenstein, Jens Pohlmann und Dr. Thilo Schwer. Zu ihrem Talents-Auftritt 2004 zeigten die Freunde ihr Flockprojekt. Darin loteten sie das große Potenzial dieses bis dahin wenig beachteten Materials aus – mit Erfolg. Aus ihrem Auftritt heraus gingen zwei Designs direkt in Produktion: der Schubladenschrank TEO, bei dem die Beflockung für leichtläufige Schubladen sorgt (Schmalenbach), und die Ringe Cmyk (AnthologieQuartett) mit ihrem besonderen Tragekomfort.
Für regelrechte Furore sorgte die Innovation „Kahla Touch“. Diese hatte Speziell für den Thüringer Porzellanhersteller Kahla entwickelt, der die Serie im Schulterschluss zum Talents-Auftritt auf der Ambiente launchte. Der Clou des Geschirrs: Die weiche Flockbeschichtung isoliert das Porzellan, ist spülmaschinenfest und lässt sich frei gestalten. „Kahla Touch“ schlug ad hoc ein und wurde zum Dauerbrenner: In den 18 Jahren, in denen die vielbeachtete Serie inzwischen läuft, wurde sie rund 30 Millionen Mal verkauft und mit zahlreichen Designpreisen ausgezeichnet, darunter Red Dot Design Award: Best of the Best (2005), iF Material Award (2005) und Good Design Award (2004).
„Das war schon Wahnsinn damals“, berichtet Jens Pohlmann. „Obwohl wir ja recht jung waren, wurde unser Designansatz ernst genommen und wir bekamen noch auf der Messe tolle Anfragen von Medien und Herstellern. Von diesem fulminanten Start profitieren wir bis heute.“ So begann Speziell nur wenig später für die Designmarke Domo zu entwerfen. Unter den Entwürfen sind einige der aktuellen Bestseller wie der Trolly „Ally“ – ebenfalls aus dem Flockprojekt – und der Tablett-Tisch „Porter“. Heute findet man Speziell-Design unter anderem bei Marken wie Interlübke, Pulpo und Siematic. Dafür wurde das Kreativteam mit über 40 Designawards ausgezeichnet.
Traditionelles neu gedacht
Auf ähnliche Weise erleben immer neue Talents in Frankfurt einen wahren Karriere-Booster. So auch Florian Kallus und Sebastian Schneider mit ihrem Designbüro Kaschkasch. 2013 brachten sie den Glas-Wandhaken „Bulb“ als Prototypen zu den Talents auf die Ambiente mit und zeigten hier ihre Innovation das erste Mal. Nur wenig später ging ihr „Bulb“ bei Schönbuch in Serie. Inzwischen entwirft das Erfolgsduo für Marken wie Rolf Benz, Lignet Rose und Norman Copenhagen und sammelt regelmäßig die höchsten Design-Awards ein. Nach Frankfurt zurückgekehrt sind die Kölner unter anderem mit dem Aussteller Blomus, der die Markteinführungen ihrer Leuchte „Ani“ (2019) und ihrer „Stay“ Outdoor-Möbel (2020) auf der Ambiente feierte.
Dass selbst etwas Traditionelles wie Gebäck neu gedacht werden kann, zeigte 2007 das Designstudio Ding3000. Ihre S-XL CAKE Backform deutet unterschiedlich große Kuchenstücke an – für jeden Appetit das richtige Format. Angebissen hat der Hersteller Konstantin Slawinski Housewarming Objects, der die Silikon-Backform seitdem erfolgreich führt. Inzwischen hat sich Ding3000 nicht nur einen Namen gemacht, sondern denselben auch geändert. Warum das nötig war, obwohl das Gründerteam noch komplett ist, erklärt Carsten Schelling: „Der Name Ding3000 hatte einen reinen Produktdesignbezug mit dem Fokus auf der Kreation von Dingen. Inzwischen arbeiten wir aber auch in anderen Feldern wie der Innenarchitektur oder strategisch in der Creative Direction und Innovationsberatung.“ Vielleicht sei der Name jetzt etwas langweiliger, aber auch offener für weitere Entwicklungen. Das ist auch gut so, denn die drei wollen offensichtlich zusammen bleiben, wie die neue Firmierung zeigt: Rudolph Schelling Webermann (RSW).
Innovation braucht Freiraum
Der Erfolg der Talents liegt zum großen Teil in dem recht einzigartigen Ansatz begründet. Ins Leben gerufen wurde das Förderprogramm 2001. Initiatorin des damaligen Pilotprojekts war Nicolette Naumann, die zu dieser Zeit die Leitung der international führenden Konsumgütermessen Ambiente und Tendence verantwortete. Das Besondere: Im Gegensatz zu ähnlichen Angeboten ist die Präsentation in den attraktiven Talents-Arealen für die ausgewählten Teilnehmer*innen bis heute kostenfrei. Mehr noch. Für viele der jungen Designer*innen stellt dieser Auftritt die erste internationale und finanzierbare Messeerfahrung überhaupt dar. Daher werden sie in Frankfurt von einem erfahrenen Messeteam aktiv unterstützt.
„Wir haben die Talents von Beginn an als Investition gesehen – und zwar sowohl in die nächste Design-Generation als auch in die Zukunft unserer Branche“, erläutert Nicolette Naumann ihren Ansatz. „Innovation braucht Freiraum. Genau diesen verschafft das Förderprogramm den internationalen Design-Talenten. In Frankfurt können sie ihre kreativen Ideen und Gestaltungsansätze einem hochkarätigen Fachpublikum präsentieren – und zwar ohne Kostendruck, dafür mit viel Support vom Veranstalter“, so die engagierte Kunst- und Designkennerin.
Talents-Entwürfe im Laufe der Zeit
1 Mark Braun (2006) mit „Join“, später bei ASA Selection
2 Kaschkasch (2013) mit „Bulp“, später bei Schönbuch
3 Juanjo García Martín (2015) mit „tiempo de caramelos posterior“
4 Designstudio Speziell (2004) mit „Kahla Touch“ für Kahla
5 Christoph van Bömmel (2005) mit Kerze „Bravit“, später bei Authentics
6 Takafumi Nemoto (2017) mit „Bonsai“, später bei Design House Stockholm
7 Ding3000 mit „S-XL CAKE“ (2007), später bei Konstantin Slawinski
8 Büro Famos mit der Geschirrserie „Opp“
9 Cecilie Manz (2004) mit ihren Schatzkistchen von 2007 bis 2011 bei Mooment
Experimentieren, ausprobieren, sich finden
Diese Erfahrung teilen auch Hanna Litwin und Roman Heide, die 2014 mit ihrem Büro Famos dabei waren. „Die Talents-Areale bieten die Chance, wahrgenommen zu werden und sich selbst klar zu werden, wie man wahrgenommen werden möchte. Bis heute bestehen noch gute Kontakte für einen freundschaftlichen Austausch. Und das alles, ohne ein finanzielles Risiko eingehen zu müssen, was Designbüros gerade in der Startphase sehr hilft“, erinnert sich Hanna Litwin. Präsentiert hatten sie ihre Porzellanserie „Opp“. Der Entwurf, der über die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen das Thema Dekor neu interpretiert, steht für ihren kreativen und durchaus spielerischen Designansatz. Eines ihrer aktuellen Lieblingsprojekte sind die Wandhaken „Logs“, das sie zusammen mit der Marke Ton umgesetzt haben. Diese werden aus Reststücken der Bugholzmöbelherstellung gefertigt, die bislang keinem Produkt mehr zugeführt werden konnten. Ihre LOGS-Serie wurde 2020 mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet und für den Ecodesignpreis der Bundesrepublik Deutschland nominiert.
Durch diese besondere Art der Starthilfe gelingt jungen Designer*innen auch immer wieder der Sprung über ihren Kontinent hinaus. 2017 etwa faszinierte Takafumi Nemoto das Publikum mit seinem duftenden Blickfang „Bonsai“. Design House Stockholm schlug zu, nahm die Raumduftserie ins Programm auf und machte den japanischen Designer auch in Europa bekannt.
Gleichzeitig macht die kommerzielle Freiheit die Talents-Areale regelmäßig zur Fundgrube für außergewöhnliche, konzeptionell starke Arbeiten wie die von Juanjo García Martín. In seinen Werken experimentiert der Schmuckkünstler mit verschiedenen Gestaltungsdisziplinen und bewegt sich damit aus der Nische des klassischen Schmuckdesigns heraus: „Schmuck sollte viel mehr sein als Dekoration der Person. Ähnlich wie die Kunst gilt es, Geschichten zu erzählen und sich auf eine höhere Ebene zu begeben.“ Seine Talents-Teilnahme 2015 empfindet er bis heute als wertvoll. „Das Programm gibt einem wertvolle Einblicke in den Ablauf von Messen und die Arbeit der professionellen Akteure. Für mich persönlich hat die Veranstaltung auf verschiedene Weise dazu beigetragen, gute Kontakte für zukünftige Verkäufe, Galerien, Museen usw. zu knüpfen.“
Ähnliches erlebte die Künstlerin Luba Lukova, die 2005 Teile ihrer Wanderausstellung „Designing Justice“ auf der Ambiente präsentiert. Im Laufe der letzten Jahre war sie unter anderem im Museum of Design in Atlanta, im Smithsonian Affiliate Freedom Center in Cincinnati, im Jewish Museum Milwaukee und in der Thermos Foundation in Taipeh zu sehen.
Feuer gefangen
Zum Antesten und Ausprobieren gehört auch, sich auch neu erfinden zu können. Und so trifft man die Produktdesigner*innen von damals auch immer wieder in neuen Branchen an. Wie zum Beispiel Formfjord. Bei den Talents präsentierte sich das Studio unter anderem mit einem Teelichthalter. Inzwischen macht das Team in den Bereichen Smart Home und Elektromobilität von sich reden. Eine andere Route hat auch Mark Gutjahr eingeschlagen. Durchgestartet ist er bei den Talents mit Möbel- und Objektdesign. Heute ist er einer der führenden Farbtrendforscher für die internationale Automobilindustrie.
Andere Teilnehmer*innen haben schon früh für ein bestimmtes Thema Feuer gefangen, darunter Christoph van Bömmel. 2005 zeigte er bei den Talents sein Entwurf „Bravit“, eine extrem flache Kerze, deren elegante Transluzenz eine komplexe Dochtstruktur sichtbar macht. Das Ursprungsdesign beschrieb den Ablauf eines Dinners: vom lebhaften Aperitif, zu dem viele Flammen gleichzeitig brennen, über eine ruhige Phase für die Vorspeise bis zum hell erleuchteten Hauptgang, der schließlich in ein relaxtes Ausklingen mündet. Reaktionen auf diese ausgefallene Produktidee kamen sowohl von der internationalen Presse als auch von Herstellerseite. Ganz vorne dabei der damalige Aussteller Authentics, der die Kerze Bravit direkt ins Programm aufnahm. Mehrere Design-Auszeichnungen folgten.
Zwei Jahre später übernahm van Bömmel die Art Direction der Firma Engels Kerzen, wo er bis heute die Produkt- und Markenentwicklung leitet. Mit Erfolg: 2018 hat Engels Kerzen als erste Kerzenmanufaktur den German Design Award für ein Kerzenprodukt erhalten. Darüber hinaus begeistert er mit seiner damals gegründete Agentur van Bömmel Studio Germany die Branche mit immer neuen leuchtenden Produktideen. „Wenn man so will, hat die Messe Frankfurt mit ihrem Förderprogramm mein komplettes Leben maßgeblich beeinflusst und mich dahin gebracht, wo ich heute – 17 Jahre nach Talents – stehe“, resümiert Christoph van Bömmel.
Take your chance: Jetzt als Talent auf der Ambiente 2024 bewerben
Inzwischen läuft das Programm seit über 20 Jahren erfolgreich. Nach wie vor erhalten pro Messe rund 30 internationale Hochschulabsolvent*innen, Gestalter*innen und Designbüros die Möglichkeit, ihre berufliche Zukunft voranzutreiben. Die nächste Chance, als Talent in den Bereichen Tableware und Accessories sowie Interior Design auszustellen, bietet die Ambiente vom 26. bis 30. Januar 2024. Die Anmeldefrist für Bewerber*innen läuft noch bis zum 16. Oktober 2023. Zu den Bewerbungsunterlagen geht es hier.
Titelbild: Lappa Studio, Prag, Akustikpanel mit indirekter Beleuchtung, Talents 2020