Der Glasflüsterer – Tadeáš Podracký sucht den Archetypus.

Der tschechische Glaskünstler Tadeáš Podracký setzt sich mit den Urtypen von Vasen auseinander, verfremdet dabei beispielsweise griechische Amphoren zu bizarren Totems. Auf der Ambiente präsentierte er eine glasklare Obstkiste. Am #TalentsTuesday erklärt er, warum sein jüngstes Projekt – „Pineapples“ – eine Hommage an die ersten Vasen der Menschheit ist.

Echte Ananas mag er auch. Die Tropenfrucht mit ihrer krautigen Krone nachzubilden, war für Tadeáš Podracký eine Herausforderung. „Sehr alte Glasmacher-Techniken stehen hier dahinter“, sagt der 25-jährige Prager über seine zerbrechlichen Ananasgefäße, die zwischen Gebrauchsgegenstand, Dekoration und Kunstobjekt changieren. Die in einer nordböhmischen Werkstatt größtenteils mundgeblasenen Unikate kommen traditionell und gleichzeitig ungemein spielerisch-jung daher. Vereinzelt hat er die Fruchtkrone auf ein Behältnis gesetzt, das an ein Apothekerglas erinnert. Oder – noch freier interpretiert – auf einen gläsernen Kürbisbauch. Das alles passt zum experimentellen Laborcharakter von Podrackýs Arbeiten, von denen er sagt: „Ich suche Bedeutungen und Symbole. Die formale und soziale Geschichte von Dingen interessiert mich. Ananas und Kürbis erinnern in ihrer Gestalt an die ersten Gefäße, die von Menschen erschaffen wurden. Diese Formen lassen sich in allen Kulturen wiederfinden.“

Erst im vergangenen Jahr schloss Tadeáš Podracký sein Studium an der Prager Akademie für Kunst und Design ab. Einer der wichtigsten tschechischen Produktdesigner, Rony Plesl, war dort sein Lehrer. An der New Yorker School of Visual Arts rundete Podracký seine Studien ab. Schon 2012 gewann er mit Entwürfen von totemartigen Glastürmen den begehrten „Ludwig Moser Award“, vergeben von der berühmten Moser Glasmanufaktur. Weitere Auszeichnungen folgten.

Wie sehr der Künstler dem Archetypus, hier dem Anfang aller Formen, auf der Spur ist, verdeutlicht seine Arbeit „Jaars“ von 2013. Ein Schlitten, ein Stuhl, mittels Lederbänder sind massive Kristallglasgefäße daran befestigt. Die Nähe zu Joseph Beuys’ provokanten Installationen aus den späten 60er-Jahren ist unverkennbar. Der Schlitten – für Beuys ein Leitmotiv mit schamanischer Komponente. In der Art, wie Beuys grauen Filz oder Fett darauf spannte, befestigt Podracký sein meisterhaft geschliffenes Glas. Deutlich sind Zeichen zu erkennen, wie man sie von Artefakten aus prähistorischen Zeiten kennt. „Das Glashandwerk gehört zu meinen tschechischen Wurzeln, daraus schöpfe ich viel“, so Podracký.

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Die Ambiente kennt der Konzeptglaskünstler von früheren Besuchen. Unter den Talents 2015 fiel seine „Ananasfrüchte“-Kollektion durch ihre erstaunliche Leichtigkeit auf. Zart in der Farbe, wohlig in der Form. „Ich möchte hier vor allem Galerien dafür begeistern“, sagte er im Gespräch. Seine Arbeiten sind ganz klar in der Kunst zu verorten, weniger im klassischen Produktdesign oder Handwerk, obgleich dieses durch die angewendeten Techniken wesentlich ist. Beispiel dafür ist auch sein raumhohes Objekt „Orchidee“ aus dunklem Glas.

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