Constant Luxury.

Wer Schätze entdecken will, muss beim Premium-Tabletop nicht lange suchen. Zwar fand höchste Essthetik schon immer eine noble Bühne, doch jetzt zieht das Fine Dining mit dem neuen Erlebnishunger nochmal andere Saiten auf – mit Folgen für das HoReCa-Segment, das sich auf luxuriöse Geschirrserien und feinste Gläser spezialisiert hat. „Weiß kommt wieder“, ist nur eine der Überraschungen, die wir von den Herstellern erfuhren als wir sie fragten, wie sie die Trendthemen erleben.

 

“Fine Dining ist out. Es lebe das Casual Fine Dining!”

Das Statement von Sven Bodry, Sales Manager Europe beim Keramikspezialisten RAK aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, bringt den Wandel gleich auf den Punkt. „Statt dem klassischen Service erscheinen heute ‚zusammengewürfelte‘ Einzelteile, die den individualistischen Charakter der Gastronomie betonen, zeitgemäßer“, erklärt der Experte. Von „Patchwork-Porzellan“ ist hier die Rede. Etwas, was auch die Sternegastronomie für sich entdeckt hat. Wie die meisten Fine Dining-Gastgeber hat man sich dort weit entfernt vom klassischen Service und achtet schon beim Kauf von Geschirr und Glasserien auf Kombinierbarkeit, Vielseitigkeit und unverwechselbare Eigenschaften, wie sie auch bei der Zusammenstellung eines Menüs entscheidend sind.

Paul Bocuse Restaurant in Collonges au Mont d'Or, Frankreich

Fast alles ist beim niveauvollen Mix & Match erlaubt, etwa in der Teetasse eine Suppe zu servieren. Allein die Qualität des Geschirrs muss absolut stimmen, uniforme Massenware ist Tabu. Bestes Beispiel für diesen Wandel ist das 3-Sterne-Restaurant von Kochlegende Paul Bocuse. „Nachdem wir über zehn Jahre seine Brasserien beliefert haben, durfte RAK 2019 auch sein Sternehaus neu ausstatten“, so Sven Bodry.

RAK Porcelain für das Paul Bocuse Restaurant
RAK Porcelain

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So wie die Welt gastronomisch immer stärker zusammenrückt, will der moderne Gast verschiedene Werte parallel abgebildet sehen. Hier stellen sich Fine Dining-Sharing-Experimente als frischer Wind dar. Das heißt, große und kleine Schalen und eine Vielzahl multifunktionaler Teller und Platten laden dazu ein, verschiedenste Speisen zu servieren und Menschen an den Tisch zu bitten, wodurch das Essen zum intensiven Gemeinschaftserlebnis wird. Ganz natürlich wird der Gast durch die Gourmet-„Snacks“ zu Kommunikation und Interaktion animiert, was Atmosphäre schafft. Bewusst werden dabei die Gepflogenheiten eines Sternerestaurants infrage gestellt. Paul Ambroise Saunier vom französischen Porzellan-Hersteller Revol, der unter anderem das New Yorker Luxushotel Ritz Carlton Central Park zu seinem erlesenen Kundenkreis zählt, weist auf einen Anspruch hin, den gerade junge Menschen hochhalten: „Millenials achten auf Authentizität, sie wollen Produkte, die eine Geschichte zu erzählen haben. Außerdem wollen sie wissen, woher die Werkstoffe stammen. In unserem Fall ist es der besondere schwarze Ton, den wir selbst vor Ort in jahrhundertealter Tradition herstellen.“ Tafelgeschirr sieht er in Zukunft noch umfassender als Teil eines großen Experimentierfeldes, „ähnlich einer Performancebühne für Künstler“. Bei großen Festen im Hotel sind Foodies nicht weniger anspruchsvoll: hier soll vielteilige Tableware auf spielerische Weise Menschen und ihre Liebe für gutes Essen aus aller Welt verbinden.

Revol für das Contour Restaurant im Ritz Carlton Central Park in New York, USA
Revol

Aktuelles dazu ist auf der Ambiente 2020 zu sehen, etwa die Erfolgsserie „Junto“ vom Hersteller Rosenthal. „Hier findet der Gastronom und Hotelier einen Mix aus Porzellan und Steinzeug vor. Die Vielfalt der Artikel, Farben und Materialien bietet viele Kombinationsmöglichkeiten und lässt kreativen Gestaltungsspielraum. Das macht diese Serie für das Thema Bankett interessant – und auch die Trendthemen ‚Sharing‘ und ‚Snacking‘ sowie ‚Bowlfood‘ kommen nicht zu kurz“, erläutert uns Rosenthal-Pressesprecherin Iris Reichstein.

Rosenthal
Rosenthal

Showeffekte

Über den eigentlichen Auslöser für die neue Essthetik im Fine Dining lassen die Hersteller keinen Zweifel – es sei der Wunsch des Gastes nach immer anspruchsvollerem „Gastrotainment“: unvergessliche Erlebnisse, die ein Gemeinschaftsgefühl unter den Gästen bilden. Dabei fordere der omnipräsente „Erlebnishunger“ permanent das gewisse Etwas ein. Besonders deutlich werde dies beim Premium-Catering, das wie nie zuvor den Luxus zelebriert. „Feuerwerk, Show-Nebel und edle Cloches sind enorm gefragt, um das emotionale Gesamterlebnis abzurunden. Hauptsächlich in Dubai und in Ländern, wo generell sehr prächtige Inszenierungen gut ankommen, steigt die Nachfrage. Im Zuge dessen ähnelt der Service im Catering auch immer stärker dem Fine Dining“, erklärt Nikolan Dietz, Marketing Manager beim Unternehmen Zieher, das in über 90 Ländern 5-Sterne-Hotels und Spitzenrestaurants mit einmalig opulenten Tabletop- und Buffet-Systemen ausstattet. Die Suche nach immer neuen Superlativen führt das Unternehmen zu innovativen Materialienkombinationen: so werden etwa echte Muscheln mit lebensmittelechtem Kunstharzlack überzogen, um Seafood authentisch zu präsentieren. „Das Besondere zählt: Vergoldungen und das gewisse Etwas. Gleichzeitig wollen Gastronomie und Hotellerie eine leichte Handhabung, und viel Lagerraum dürfen die Systeme ebenfalls nicht einnehmen.“ Der Experte hält in Zukunft sogar Geschirrteile für möglich, die bei Veranstaltungen oder in Lounges über einem Magnetfeld schweben und dazu mit LED-Effekten ausgestattet sind, so stark sei inzwischen der Wunsch des Gastes nach Effekten, die alle technischen Möglichkeiten ausschöpfen.

Zieher
Rosenthal
Zieher

Weiß – aber vielseitiger

Zog sich weißes Porzellan in seiner Funktion als Hüter der Tradition einige Zeit zurück, verwendet man im Fine Dining nun wieder verstärkt purweiße Grazien. Entscheidendes Kriterium ist, dass diese vielseitig einsetzbar und kombinierbar sind. Das klassische Service, das vom Vorspeisenteller über die Sauciere bis zur Dessertschüssel die komplette Abfolge eines bürgerlichen Menüs bestückt, ist sprichwörtlich Geschichte. Moderner erscheinen jetzt verschiedene weiße Einzelteile, die Individualität demonstrieren. Aus Sicht des Porzellanherstellers Dibbern ist der Grund für diese Verjüngung im allmählichen Abebben des langjährigen Keramiktrends zu suchen, so Jan Dibbern, Geschäftsführer des Unternehmens: „Was inflationär geworden ist, macht Platz für neue Trends.“

Dibbern
Dibbern für das Bao Li Xuan Restaurant im Bulgari Hotel in Shanghai, China

Im nordeuropäischen Raum, wo seit jeher weißes Porzellan hoch im Kurs steht, dürfte das sich ankündigende Weiß-Revival auf fruchtbaren Boden fallen. „In Asien gibt es ebenfalls viel Weißware, die aber sehr fein und filigran ist und auch viel kleinere Abmessungen hat, als wir es in Europa gewohnt sind“, weiß Gabriele Schupp, Leiterin des Unternehmensbereichs Tischkultur bei Villeroy & Boch. Das von diesem Hersteller ausgestattete Salzburger Luxushotel „Goldener Hirsch“ serviert nach seiner jüngsten Modernisierung die Speisen auf brillantweißem Porzellan und beweist sich damit als Trendsetter, der sich von Mitbewerbern abhebt.

Villeroy & Boch für das JW Marriott Parq Vancouver Hotel in Vancouver, Kanada
Villeroy & Boch für das Goldener Hirsch Restaurant und Hotel in Salzburg, Österreich

Glasklare Erfolge

Wenn im Sternerestaurant „Le Jules Verne“ im Inneren des Eiffelturms abendlich die Bargläser geheimnisvoll leuchten, ist das dem High-End-Schliffdesign der Marke Spiegelau zu verdanken. Von der brillanten Optik über das angenehme Gefühl in der Hand bis zum Klang der Kristallgläser werden mit der Serie „Perfect Serve Collection by Stephan Hinz“ alle Sinne angesprochen. „Stephan Hinz, international prämierter Bartender und Fachautor der Barliteratur, hat mit seiner Expertise diese anspruchsvolle Gläserserie mit uns entwickelt. Er weiß, welche Anforderungen eine moderne Bar stellt“, so Christina Bauer, Marketing Managerin des bayrischen Gläserspezialisten Spiegelau über die kostbaren Bargläser des Pariser Turm-Spots.

Spiegelau
Spiegelau für das Canton Disco Restaurant im The Shanghai Edition Hotel in Shanghai, China

„Die Anforderungen unser Kunden, dazu gehören ‚The Shanghai Edition‘, einer der besten Luxusunterkünfte in der Millionenstadt, oder die Lufthansa First Class Lounge München, sind insbesondere Eleganz, Glanz und Langlebigkeit. Der Trend spielt ebenso eine Rolle. Dieser geht bei Weingläsern weiter zu sehr dünnen Wandstärken. Unsere neue, handgefertigte ‚Highline‘-Serie trägt dem Rechnung. Vorteil im Handling ist, dass sich durch den Einsatz von Osmose-Gläserspülmaschinen hier das Handpolieren der Gläser erübrigt“, so Christina Bauer.

Riedel

Riedel Glas aus Österreich sieht im Luxussegment zudem eine stark gestiegene Nachfrage nach Cocktailgläsern, was auch Nikolan Dietz von Zieher beobachtet. Er sagt: „Bei Catering und Buffet übertrumpft man sich mit Event-Luxus – dabei ist das Cocktail-Shaken mit mehreren Frontprofis der absolute Renner. Um was es auch geht, es muss außergewöhnlich sein und Aufmerksamkeit erzeugen, das ist Trend.“

Riedel

Silber auf Reisen

„Villa Rothschild“, Königstein im Taunus. „Aqua“, Wolfsburg. „The Peninsula“, Tokio. „Grill 79“ über den Dächern Pekings. Die „MS Europa 2“. Was Gäste dort und in unzähligen anderen kulinarischen Ortsjuwelen in die Hand nehmen, ist deutsche Silberschmiedekunst aus der Manufaktur Robbe & Berking. Feines Silberbesteck ist in der Spitzengastronomie natürlich weit mehr als eine Esshilfe. Es ist ein gewichtiges Statement. Auch wenn dem Silber in den letzten Jahren Edelstahlbestecke gelegentlich den Rang abzulaufen schienen. Für die Flensburger Manufaktur ein Signal zum Umdenken: frisch, frei und mutig schickte man das Silber auf die feine Walz, sprich, man kreierte mit einer renommierten Kaviarmarke und einem Champagnerproduzent Foodtrucks der edelsten Art.

Robbe & Berking für das Tarragon Restaurant auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa 2
Robbe & Berking

Unter dem Motto „Street Food auf dem Silbertablett“ rollt seitdem eine Flotte von „Genusswagen“, kultige Airstreams, durch Deutschland und Österreich, und erreicht mit Gourmetfreuden und Fine Dining-Service generationsübergreifend ein luxusaffines Publikum bei hochkarätigen Landpartien, Segelregatten (Robbe & Berking kennt man schließlich auch als Bootsbauer) sowie Golf- und Poloturnieren. Mit auf Pop-Up-Tour sind die handgefertigten Bestecke aus der „Riva“-Serie. Hier kommt besagter Erlebnishunger voll auf seine Kosten. Genießen, was es sonst nicht gibt – den Silberlöffel am Trucktresen, einfach kultig! Zu gewagt? Nein, wenn man sich beispielsweise in europäischen Luxushotels der neuen Generation umschaut, wo die Gäste nach „Laidback Luxury“ fragen und damit nicht den goldenen Wasserhahn meinen, sondern authentisches Hospitality Design der ganz großen Klasse.

Gepflegt wird diese zeitgemäße Gastkultur im neuen Lyoner „Intercontinental Hôtel Dieu“, ein in prächtiger historischer Architektur verortetes 5-Sterne-Haus. Geschmeidig fügt sich der moderne Hotel-Komplex in das Kulturerbe der Stadt, innen verbinden sich größte Schlichtheit und höchster Luxus, überall korrespondiert zarte Lyoner Seide mit zeitgenössischem Design. Im Hotelrestaurant „Épona“ werden auf schlicht-edlen Tellern von Revol die legendären Quenelles – eine regionale Schupfnudel-Speise – serviert. Und Silberbesteck gibt es hier auch.

Revol für das Epona Restaurant im Intercontinental Hotel Dieu in Lyon, Frankreich,
© Stéphane Aboudaram, We are Content(s)

Wie die Welt isst

Das Reagieren auf weltumspannende Lifestyles ist in der Spitzengastronomie und in der Hospitality-Branche, deren Geschäftskonzepte letztlich darauf beruhen, Menschen glücklich zu machen, wenn sie nicht zuhause sind, von größter Bedeutung. Dem drohenden „Einheitsbrei“ wirkt eine sehr starke Tendenz zur intelligenten Individualisierung respektive Personalisierung entgegen. Gravuren und personalisierte Teller kennt man in Grandhotels seit über einhundert Jahren, weshalb sie dort als selbstverständlich und oft leicht überholt gelten. Unverzichtbar sind dagegen Geschirrteile, die den Essgewohnheiten des jeweiligen Landes angepasst sind. Ergänzungen zum Standort-Sortiment sind etwa in China, Korea und im arabischen Raum unerlässlich. Riedel hat durch seine internationalen Repräsentationen und die enge Zusammenarbeit mit Gastronomie und Produzenten schon sehr früh die marktspezifischen Unterschiede in den Bedürfnissen und Anforderungen erkannt. Beste Beispiele hierfür sind sicherlich die Märkte USA und Japan, wo die nachgefragten Dimensionen und Füllmengen der Gläser gravierend unterschiedlich sind.

Dibbern
Villeroy & Boch

Auf die deutliche Erstarkung des Luxus- und Premiumbereichs im HoReCa-Segment reagieren die befragten Hersteller in hohem Maße flexibel, proaktiv und offen. Sie sehen ihre Profi-Kunden, international renommierte Gastronomiebetriebe und Luxusherbergen, durchweg als hochrangige Showcases, in denen das Tabletop ein wichtiger Erlebnisfaktor darstellt. Angekündigt für die Ambiente 2020 ist extravagantes Geschirr, das sich noch variabler beim Gebrauch zeigt. Teller und Schalen huldigen weltoffen vielen überlieferten Techniken – RAK etwa verneigt sich mit der „Kintzoo“-Serie vor der japanischen Tradition der Reparatur wertvoller Keramik mit feinen Gold- und Silberapplikationen.

RAK Porcelain
Zieher

Und noch etwas beobachten die Hersteller: in Ländern, in denen Gerichte meist mit sehr viel Aufwand inszeniert werden, ist man am ehesten offen für Entwicklungen, die andere zunächst vielleicht sprachlos machen und bald doch für Produzenten weltweit relevant werden. Gabriele Schupp von Villeroy & Boch hat es gesehen: „In Spanien wird Food teilweise nicht mehr auf Tellern oder Schalen serviert, sondern zum Beispiel in Blumentöpfen oder an Wäscheleinen aufgehängt präsentiert.“ Aufregend, was da vielleicht noch auf das Casual Fine Dining zukommt.

Titelbild: Ophelia Gourmetrestaurant im RIVA Hotel Konstanz