Formschöne Rundbögen wurden in fast jeder Zeitepoche eingesetzt, bis sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges konstruktiv ignoriert wurden. Doch nun erlebt das facettenreiche Arch Design sein Comeback. Besonders spannend wird es, wenn es mit der Wellblechoptik „Corrugated Cladding“ aufeinander trifft.
Rundungen mit Tradition
Der Rundbogen ist ein Stilelement, das in nahezu allen Epochen der Baugeschichte immer wieder verwendet wurde. Lange Zeit war er sogar die einzige architektonische Möglichkeit, größere Spannbreiten zu überbrücken. Auch das Kolosseum in Rom ist mit seinen insgesamt 240 Rundbögen bis heute noch das Steckenpferd der römischen Ingenieurskunst. Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Rundbogen jedoch aussortiert, weil er konstruktiv nicht mehr notwendig war und auch visuell nicht dem Puls der Zeit entsprach. Als das sogenannte Arch Design dann auch noch in der Architektur des Nationalsozialismus vorkam, wie beispielsweise an den Fassaden des „Führerbaus“ in München, hatte sich die Stilrichtung für moderne Architekten komplett erledigt: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nur noch gerade und rechtwinklig geplant. Erst in den 80er-Jahren fingen Architekten sporadisch und bescheiden wieder an, Rundbögen zu entwerfen, konnten damit aber keine bleibenden Trends schaffen.
Omnipräsentes Arch Design
Im Hier und Jetzt sind Bogenformen jedoch stark im Kommen. Man findet sie immer häufiger an Möbeln, Accessoires oder als beliebte Dekoration in Geschäften und in Hotels. Gerade im Interior-Bereich ist das Arch Design dabei eine willkommene Abwechslung zum nüchternen Minimalismus, der unsere Wohnwelt so lange dominierte. Aber selbst beim Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt haben sich die Architekten mit dem Motiv des Rundbogens beschäftigt, und zwar nicht nur bei den Rekonstruktionen, sondern auch bei der Konstruktion von Neubauten. Auffällig ist auch, dass das Arch Design besonders im Tableware-Bereich großen Anklang findet: OYOY macht aus der Bogenform praktische Tischsets, Umbra einen Serviettenhalter und Sambonet ein Serviertablett.
Französische Vorreiterin: Dorothée Meilichzon
Die wahre Königin dieser Stil-Renaissance ist mit großer Wahrscheinlichkeit jedoch die Pariser Designerin und Innenarchitektin Dorothée Meilichzon, die in den vergangenen Jahren die internationale Nightclub- und Hotellerieszene mit ihrem schicken Vintage-Stil gründlich entstaubt hat. Zwar ist jedes ihrer Projekte anders und sie wird nicht müde, immer wieder aufs Neue mit den unterschiedlichsten Materialien, Farben und Stilepochen zu experimentieren. Aber es gibt ein Stilmittel, auf das die Französin bei eigentlich keiner ihrer Konzepte verzichtet, egal für welchen Sektor und welches Land es gedacht ist: der Rundbogen. Warum das? Den Grund dafür hat sie noch nicht öffentlich verraten. Aber sie betont stets, dass sich die Menschen in ihren Raumkonzepten in erster Linie wohlfühlen sollen.
Only good vibes
Doch nicht nur Dorothée Meilichzon, sondern auch andere internationale Designer und Architekten setzen zur Zeit verstärkt auf den Wohlfühl-Effekt, der mit Arch Design erzeugt werden kann. In zahlreichen Boutiquen, Bars, Restaurants und Hotels suggerieren die runden Bögen – oder oft sogar eine ganze Abfolge mehrerer Arkaden – das Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Schutz. Um sie besonders modern wirken zu lassen, werden sie dabei oft als Kontrast zu linearen Formen oder lauten Farben eingesetzt. Oder sie dienen als Hommage an historische Begebenheiten. In den Räumlichkeiten des kanadischen Kimpton Saint George Hotels zum Beispiel erinnern sie an den vielfältigen Baustil der Stadt Toronto.
Kontrast mit Corrugated Cladding
Als Kontrastprogramm für Rundbögen bietet sich aber auch ganz besonders die Wellblechoptik an, deren klare Strukturen sich an den fließenden Formen des Arch Designs harmonisch brechen. Spätestens auf diese Weise wird den Rundbögen das potenziell altmodische und uncoole Flair genommen, das ihnen zumindest von einigen Vertretern der Zunft immer noch angehängt wird. Interessant ist zudem, dass die Kombination Rundbogen und Corrugated Cladding sowohl bei kleinteiliger Tableware als auch bei üppigen Raumteilern funktioniert, und wie die jeweilige Intensität des einen oder des anderen Elements die Wirkung eines Gegenstandes beeinflusst: dominieren die Rundbögen, wirkt das Arch Design tendenziell lieblich. Herrscht dagegen die Wellblechoptik vor, wird es sehr modern und rational.
Arch Design als Gefühlstransporter
Rundbögen werden heutzutage aber nicht nur wegen ihrer wandelbaren und dekorativen Formschönheit geschätzt, sondern auch, weil sie Emotionen transportieren können. So können die verspielten Linien selbst auf einem Handtuch oder Teppich beschützend wirken, während sie in bunten Farben eine kindliche Leichtigkeit und Lebensfreude versprühen. Die in Bogenform gearbeitete Schreibtischablage Cloud von Fundamental Berlin bringt Glamour auf den Arbeitsplatz.
Spannend wird es auch, wenn das Arch Design wieder verstärkt bei modischen und funktionellen Accessoires für den täglichen Gebrauch zu sehen sein wird, denn die halbrunden Formen sind geradezu ideal für die Gestaltung von Handtaschen, Vasen oder Schmuck. Auch bei den Materialien und der Bedienung von Gebrauchsgegenständen im Arch Design sind die Möglichkeiten zahlreich. Ein schönes Beispiel ist die elegante Pendelleuchte Tinge Pendant von Jacob Starley. An ihrem filigranen Gestell aus Metall hängen die Glühlampen, deren Licht mithilfe eines Messingknopfs durch eine Glasscheibe gedimmt werden kann.
Überfällige Renaissance
Unser Fazit lautet: Obwohl das Arch Design lange als uncool, unmodern und ideologisch belastet galt, war es im Prinzip jedoch nur eine Frage der Zeit, bis das Motiv Rundbogen wieder in die Welt der Architektur und des Designs zurückfindet. Rückblickend ist es sogar schade, dass wir dieses ästhetische und höchst wandelbare Grundelement der Baukunst mit jahrtausendealter Tradition in jüngster Vergangenheit nur so selten gesehen haben. Umso schöner also, dass diese längst überfällige Renaissance nun stattfindet.