Löffel, Laster und Lachen mit den Talents.

Kann ein Löffel Sünde sein? Aber ja! Die Südtiroler Schmuckdesignerin Gabi Veit lässt sich von den „Sieben Todsünden“ inspirieren und schmiedet unkonventionelle Löffelpersönlichkeiten. Schweigen bei Tisch ist der Schottin Kathleen Reilly ein Graus, ihre Bestecke und Tischhelfer machen Tabula rasa mit der Konvention. Wir sprachen mit den Ambiente Talents über mundgerechtes Produktdesign.

Die eine kommt aus den Bergen, die andere von der Insel. Gemeinsam ist den Talents Gabi Veit und Kathleen Reilly ihre skulpturale Sicht auf das, was wir beinahe täglich in die Hand nehmen. Mit subversiven Entwürfen bringen sie Erwartungen an die geltende Speisepraxis ins Wanken, durch kluge Ironie schaffen sie Tiefe. 

Gabi-Veit-Theologie-Neid-Kunst

Und wie sieht dein Löffel aus?
„Der Stachel steht für den Zorn, und für den Faulen gibt es nur den Strohhalm, dann muss er nicht löffeln“, erläutert Gabi Veit ihre ungewöhnlichen Löffelkreationen. Die „Sieben Todsünden“ nach der klassischen Theologie haben es der Künstlerin angetan, diese bildhaft darzustellen gelingt ihr mit einer Reihe experimenteller Stücke aus Silber, Gold, Bronze und Eisen. Ein leerer „Handspiegel“ verkörpert da etwa den Hochmut, und eine geschlossene Laffe, wie der vordere Teil eines Löffels genannt wird, ist das Richtige für den Geizhals, der alles für sich behalten will. „Ich beobachte gern Menschen beim Essen. Wie sie essen, ist ganz unterschiedlich, dabei zeigen sich verschiedene Charaktere“, findet die 1968 geborene Bozenerin, die in Innsbruck und Venedig Grafikdesign studierte und heute überwiegend Schmuck anfertigt. „Die Idee für diese Löffel kam mir im Gespräch mit Freunden. Wie würde ein Löffel aussehen, der meinem Charakter entspricht? Beim Löffel geht es um Fülle und Leere, Nehmen und Geben, Erreichen und Reichen.“

Eisen-Silber-Gold-Bronze

Neue Löffel. Wenn Linie und Kreis sich anders treffen.
Gabi Veits raue Löffel machen vage Andeutungen oder stoßen Geschichten in den Köpfen der Betrachter an: „Die einfache und zugleich unendlich reiche Formensprache des Löffels mag ich. Löffel gibt es überall auf der Welt, alle essen damit.“ Den Löffel abgeben – diese deutsche Redewendung, wenn einer stirbt, rührt aus alter Zeit, als das christliche Leben mit einem silbernen Tauflöffel begann und die meisten Menschen nur einen höchsteigenen, oft selbstgeschnitzten Löffel besaßen. Ihre „Geschöpfe“, so nennt Gabi Veit die Löffel, seien zu gebrauchen, Salz oder Gewürze könne man damit schöpfen. Wir finden, manche eignen sich mehr zum nachdenklichen Betrachten bei Tisch und hinterlassen gerade deshalb einen bleibenden Eindruck. Wie Schmuckstücke gestaltet die Künstlerin die Löffel, alle sind Unikate: geschmiedet, gebogen, einige wenige gegossen. Viele Kreationen entstehen so. Die 7er-Serie „Laster & Löffel“ nahm den Weg in die Sammlung des Leipziger Grassi Museums für Angewandte Kunst. Der Löffel, mit dem sie Neid und Missgunst (lateinisch Invidia) darstellt, ist übrigens verbleit, somit „giftig“. Wieso? „Ganz einfach, Neid vergiftet einen“, trifft die Löffelexpertin den Nagel auf den Kopf.

Besteck-Kathleen-Reilly-Pfefferstreuer-Skulptur

Die Umstürzlerin. Beim Essen wird gelacht!
„Das Besteck ist leichter zu balancieren, als ihr denkt“, fordert uns Talent Kathleen Reilly auf. Tatsächlich klappt die Handhabung der sichelförmigen Stücke rasch. Am besten vergisst man bei den Entwürfen der 22-jährigen Schottin alles, was man über das Messer und Gabel zu wissen glaubt. Die Künstlerin rüttelt nämlich unbekümmert an Ritualen und Sehgewohnheiten rund um den gedeckten Tisch. Sie bringt das Vertraute sprichwörtlich ins Schwanken. Ihre Salz- und Pfeffer-Streuer kommen beschwingt wie zwei Tänzer daher und stehen dank eines Verbindungsstegs erstaunlich fest auf der Kippe. Wenn man Salz haben will, dient der Pfefferstreuer als Griff und umgekehrt. Diese originelle „Skulptur“ animiert uns spontan zum Spielen und Rumalbern. Die Künstler des Dadaismus in den 1920er Jahren, die für eine gezielte Unlogik der Dinge und die Zerstörung von gefestigten Idealen und Normen eintraten, hätten hier gejubelt. „Enjoy your meal! Funktion und Spaß sind eins“, lautet nicht zufällig das rebellische Credo von Kathleen Reilly.

Geschirr-Metall-Handwerk

An der Karriere schmieden
Eine Reihe von Preisen hat die Schottin für ihre konzeptionellen Bestecke und Geschirre bereits erhalten. Mit Auszeichnung absolvierte sie die Ausbildung zur Silberschmiedin an der Glasgow School of Art. International startete die junge Künstlerin mit Ausstellungen in Tokio, New York und zuletzt Dänemark durch. Aktuell wurde sie für ein Masterstudium am Royal College of Art in London angenommen – was fast einem Ritterschlag gleichkommt! Dort wird sie ihre Kenntnisse im Metallhandwerk und Schmuckdesign vervollkommnen. „Schmieden, Schleifen und Wasserstrahlschneiden kann ich ja schon“, sagt sie. Wovon Kathleen Reilly hoffentlich auch in Zukunft nicht lässt: Tischmanieren in Frage zu stellen und in puncto Design mit Mehrdeutigkeiten zu spielen. Denn mit dem, was sie auf der Ambiente vorstellte, machte sie klar, dass sie irgendwann zu den ganz Großen ihres Fachs gehören kann.