Giulio Iacchetti – von der Bewahrung des Guten und der Liebe zum Schönen.

Möbel, Leuchten, Tischwaren, aber auch Gullydeckel gehören zu seinem kreativen Repertoire, für das er vielfach ausgezeichnet wurde. Wir trafen Giulio Iacchetti in Frankfurt und lernten einen kreativen Multitasker kennen, für den gutes Design ein Kulturgut ist, das es zu ehren, zu bewahren, weiterzuentwickeln und vor allem zu lieben gilt.

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Installation mit Erinnerungswert
Treffpunkt „Rimini Rimini“. Nein, wir treffen Giulio Iacchetti nicht an der Adria-Küste, sondern in Frankfurt während der Ambiente. Für das Partnerland Italien hat er ein Café gestaltet und dafür tief in die Italo-Trickkiste gegriffen: Man verweilt in rot-weiß gestreiften Strandkörben und Liegestühlen, liest Zeitung, isst ein Panino, trinkt einen Kaffee und macht mitten im Messerummel einfach mal Pause auf Italienisch. Iacchetti lacht zufrieden: „Diese Installation ist eine kleine Hommage an die deutschen Urlauber, wie ich sie aus meiner Kindheit in Erinnerung behalten habe. Ein Stück Italien, eine Wiederbelebung des teils auch kitschigen Bildes von einst. Und es ist toll, dass die Leute daraus ein dynamisches Bild gemacht haben, indem sie, wie am Strand auch, die Sitze immer wieder verstellen und neu arrangieren.“

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Immer auf der Suche
Giulio Iacchetti hat schon die verschiedensten Produkte für namhafte Marken erfunden, gestaltet und erneuert, darunter die eleganten „Noè“-Weinaccessoires und das zeitlose Aperitifset „Ape“ für „Alessi“, Schreib- und Reiseutensilien für das Kultlabel „Moleskine“ und natürlich die Löffel-Gabel „Moscardino“ für „Pandora“, für die er gemeinsam mit seinem Kollegen Matteo Ragni mit dem „Compasso d’Oro“ ausgezeichnet wurde. Das Duo bekam den sogenannten „Design-Oscar“ übrigens noch ein zweites Mal: für die Gestaltung von Gullydeckeln, deren charmante Reliefs unter anderem Vogelkrallen und Autoreifenspuren zeigen. Dennoch ist der Multitasker des Industrie- und Produktdesigns immer auf der Suche nach Inspirationen und nach Wegen, besser zu werden, wie er sagt: „Natürlich messe ich mich auch mit anderen Gestaltern und hinterfrage meine Arbeiten. Wie gut sind meine Ideen und Umsetzungen wirklich? Was kann ich verbessern?“ Vor allem aber hält er nach einem Ausschau: solidem Handwerk. „Wir müssen zurück zur Exzellenz gelangen und Dinge schaffen, die die Menschen faszinieren. Weil sie gut funktionieren oder weil sie schön sind. Weil sie Geschichten erzählen und selbst zu Teilen der persönlichen Geschichten ihrer Besitzer werden.“

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Neues mit Tradition und neue Traditionen
Dass viele der zu dieser „Exzellenz“ zählenden Fertigungsarten auf jahrhunderte- oder gar jahrtausendealte Traditionen zurückgehen, bedeute keinen Widerspruch zur Innovation, sagt der aus der lombardischen Geigenbauerstadt Cremona stammende Designer, auf dessen kreativer Agenda das Entwerfen moderner Instrumente, „basierend auf alten Kenntnissen und neuen Herausforderungen“, ganz weit oben steht, wie er verrät. „Traditionen waren ja nicht immer alt. Und Fortschritt, Weiterentwicklung und Verbesserung sind immer möglich. Zumal sie oft durch die Erfahrung bedingt werden. Die Aufgabe des Designers heute ist es, wieder mehr in Dialog mit denen zu treten, die es können.“ So machte er es auch, als er für den Mailänder Pfeifenhersteller „Savinelli“ die „Radica Chic“ entwarf. Entstanden ist eine Pfeife, die den Anforderungen des gelegentlich rauchenden Designers sowie generell des modernen Mannes entspricht, weil sie sich beim Zeichnen oder Arbeiten am Computer einfach hinstellen lässt. Tradition seit 1876 trifft Innovation von 2015.

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Design zum Verlieben
Für die Italiener gehöre gutes Design zum Kulturgut, zum Erbe, auf das man stolz sei, während man in Deutschland die Errungenschaften in Sachen Design etwas nüchterner betrachte und vor allem darauf setze, materiell und funktional einwandfreie Produkte zu kreieren. „Wir sind da einfach etwas leidenschaftlicher als die Deutschen“, sagt Giulio Iacchetti und outet sich als Fan deutscher Produkte, die alles andere als nur praktisch seien. Er zeigt auf seine Füße, an denen er „Birkenstock“-Schuhe trägt. „Für diesen Hersteller würde ich auch gerne mal etwas entwerfen. ‚Made in Germany‘, darin steckt viel mehr als nur technisches Know-how. Darin steckt auch jede Menge Liebe. Und somit das Potenzial, dass ich mich in ein Produkt verliebe.“ Auch seinen Studenten sage er das immer und immer wieder, betont der leidenschaftliche Designer abschließend: „Selbst wenn es um so etwas Banales wie den Entwurf eines Stuhls geht, setze ich voraus, dass der Gestalter meinen Wunsch erhört. Und der lautet: Mach, dass ich mich verliebe!“