Eclectic Clash.

Neues von der Messe: Interior Design, das mit alten Tabus bricht.

Für Stylisten, Händler, Designer oder Shop-Kuratoren: Der Besuch der Living-Hallen bedeutet immer Inspiration, das Entdecken von Trends, das Schwelgen in gutem Design. Dieses Jahr ist dabei aber noch etwas ganz Besonderes passiert. Wir konnten nämlich viel über das Zusammenleben lernen. Zum Beispiel, wie gut sich Opulenz und Einfachheit vertragen, wie schön es ist, mutig zu sein oder wie glücklich gutes Alltagsdesign machen kann.

Wie gut sich Opulenz und Einfachheit vertragen

Mutige Brüche, Clash der Stile, anziehende Gegensätze – viele Aussteller zeigen dieses Jahr extrem facettenreich, dass Üppiges, wie Samtpolster in Aqua-Farben und goldene Art déco-Accessoires, harmonisch mit simplen modernen Formen zusammenlebt. Es geht um den Ausdruck einer Persönlichkeit mit all ihren Seiten. So finden sich Kleinmöbel mit grafischen Linien neben luxuriösen Sesseln oder antik geschliffene Kristallgläser auf reduzierten, modernen Eisentischen, wie z. B. bei Sackit und Gift Company. Die Message ist klar: Kombiniere, sei mutig, spiele mit Formen – und wenn es nicht hundertprozentig passt, dann versuche es noch einmal!

Gift Company
Bloomingville
SACKit
Hübsch

Skandi-Design mit neuem Dreh

Bei vielen skandinavischen Ausstellern, wie Nordal, House Doctor, IB Laursen oder Bloomingville wurde etwas ausgemistet. Textilien im Ethnolook treten etwas in den Hintergrund. Reduzierte, geometrische Wandspiegel, schlichte Regale, Beistelltischchen mit dünnen grafischen Linien lassen viel Gestaltungsraum für persönliche Accessoires (die auch gerne selbstbewusst golden glänzen dürfen!). In den Vasen stehen filigrane Farngewächse und Gräser, es wuchert nicht mehr ganz so tropisch in den Blumentöpfen, sondern auch die feinen Linien und zart gezeichneten Blätter bekommen ihren Auftritt. Behaglich wird es mit Grün- und Blautönen, warmem Terrakotta und unbehandeltem Holz. Das funktioniert auch bei Wohntextilien, wie z. B. bei der neuen Kollektion von Pad, die grafische Flecht-Muster im Skandi-Stil mit japanischen Gingko-Zeichnungen kombiniert. Eine perfekte Stil-Fusion.

Bloomingville
Pad Home Design
Nordal

Wie schön es ist, Gutes zu tun

Und nicht nur das Styling und Design auf den Ständen zeigen Persönlichkeit und Seele, wir bekommen von so vielen Menschen gezeigt, wie leicht es ist, sich für soziale und nachhaltige Ziele einzusetzen. Neben Charity- und Spenden-Projekten entdeckt man persönliches Engagement. Wie die beiden Designerinnen Mari Martikainen und Minna Impiö, die mit ihren bunt geflochtenen Korbwaren ihres Fair-Trade-Labels Mifuko nicht nur Farbe ins Wohnzimmer bringen, sondern vor Ort Hilfsprojekte in Kenia finanzieren und initiieren. „Es ist uns sehr wichtig, dabei auch Zeit in Afrika zu verbringen. Nur so funktioniert Co-Working: Wir weben gemeinsam, inspirieren uns gegenseitig, sehen, wo Hilfe gebraucht wird“, sagt Minna Impiö uns beim Besuch ihres stilvollen Standes auf der Ambiente, wo jeder Korb den Namen der Flechterin trägt. Nicht weit entfernt wird die Leinen-Kollektion von Lapuan Kankurit, auch aus Finnland, präsentiert. Hier wird mit dem Erlös die Umweltorganisation „Clean Baltic“ unterstützt. Bei der Wahl-Berlinerin Stef Fauser werden Fahrradschläuche zu Blumenampeln, Taschen und Kleinmöbeln im urban Style recycelt. Oder die Designplattform Made51, die in Zusammenarbeit mit dem UNHCR kunstvolle Handwerksprodukte von Flüchtigen vertreibt.

Lapuan Kankurit
Lapuan Kankurit
Mifuko
Stef Fauser Design
Afrika Tiss für Made51/UNHCR

Trend-Produkte dürfen ruhig auch mal etwas länger bleiben

Das Sommergefühl im letzten Jahr hatte eine ganz klare Designsprache. „Happiness“ war angesagt! Tropische Muster, Flamingos, Monstera-Blätter, Kakteen, Wassermelonen-Aquarelle waren nicht nur die großen Stars auf Textilien, Wohnaccessoires und Geschirr, sondern auch bei Instagram & Snapchat. Die gute Nachricht: Was uns so ans Herz gewachsen ist, darf ruhig auch noch etwas länger bleiben. Gutes Design ist zeitlos, was man ja schon seit vielen Jahren an der Kaktusvase sieht, die Marie Michielssen einst für Serax entworfen hat.

House Doctor
Zenza
House Doctor
Serax
Boltze
G&C Interiors
Pip Studio

Design erheitert den Alltag

Designer schenken uns kleine Glücksmomente: Wenn ein Kosmetiktuch-Spender mit orientalischem Muster verziert wird wie bei Images d´Orient, die Baby-Trinktasse Arne Jacobsens Typo schmückt wie bei Design Letters, Spülmittel im schlichten Spender verschwindet, wie bei Bosign oder wenn der als Tasche getarnte „Hackenporsche“ von Reisenthel so cool aussieht, dass ihn auch Hipster unter 50 zum Supermarkt rollen.

Bosign
Images d'Orient
Design Letters
Reisenthel

Was gutes Handwerk bewirkt

Die wahren Stars der Ambiente sind die vielen Schreiner, Glasbläser, Weber, Keramiker, Schmiede – die Handwerker, die die vielen Stücke erst zu dem machen, was sie sind. Lambert setzt ja schon seit vielen Jahren auf die speziellen Fertigkeiten vieler Menschen und experimentiert auch dieses Jahr wieder mit besonderen Methoden. Zum Beispiel bei einer Glasvase, die während des Blasens mit einer dünnen Kupferfolie versehen wird, das Muster entsteht zufällig und macht jedes Exemplar einzigartig. Oder die Outdoorteppiche von Pappelina, die mit ihrer speziellen Webtechnik zum haptischen Erlebnis werden. Die Gründerin Lina Rickardsson hat diese historische Technik zufällig in einer Weberei in Schweden entdeckt und vor fast 20 Jahren wiederbelebt. „Die Deutschen waren eher skeptisch: Plastikteppiche!“ Aber inzwischen dürfen die schadstofffreien Stücke von Pappelina sogar als Tischläufer auf den Tisch. Auch bei Sika Design, den Pionieren der Rattan-Möbel, wurde eine alte Fertigungstechnik, das Loomen, wieder eingeführt: Feiner Draht wird mit weichem Papier umwickelt und dann damit die Stühle geflochten, die Haptik ist sensationell. Man darf den Stücken die Handarbeit ruhig ansehen, wie auch bei Keramik-Vasen, Webteppichen, Lederwaren und Leinenstoffen: If it’s real, it can’t be perfect!

Pappelina
Pappelina
Sika Design
Lambert
Aarikka
Titelbild: Proflax