Fahrtrichtung Feinsinn.

Wären Jungdesigner schon etablierte Trendsetter, wäre der Hype um digitale Produktgestaltung, kurzfristige Effekthascherei und Massenkonsum ab sofort vorbei. Denn die Talents 2019 feierten handgefertigten Feinsinn statt anonyme Konformität.

Spannend, welchen Einfluss unsere gesellschaftliche Entwicklung auch auf internationale Jungdesigner hat. Die Entwürfe der 36 Nachwuchsgestalter waren dieses Jahr jedenfalls von den Themen Raumknappheit, Nachhaltigkeit und der vehementen Bekenntnis zur DNA ihrer Heimatländer bestimmt.

Maria Braun
Maria Braun

Maria Braun entwirft multifunktionales Geschirr

Talent Maria Braun gibt beispielsweise eine kluge Antwort auf die veränderten Essgewohnheiten und städtische Platzknappheit unserer Zeit. Denn ihre multifunktionale Geschirrserie „Univessels“ eignet sich nicht nur zum Servieren von Speisen und Getränken, sondern auch zum Kochen, Backen, Aufbewahren, Tiefkühlen und erneuten Aufwärmen. Die Gefäße des Alltags produziert die Berlinerin aus dem patentierten InducTherm Porzellan der Eschenbach Porzellan Group, das kompromisslose Hitzeresistenz mit den Qualitäten von Porzellan kombiniert. Induktionsgeeignete Beschichtungen auf Ober- und Unterflächen sorgen dafür, dass die Utensilien auf allen Herdarten einsatzfähig sind, während abnehmbare Dichtungsringe einen sicheren Transport zwischen Zuhause und Büro ermöglichen.

Lotte Schloer

Lotte Schloer braucht weniger Raum für mehr Schalen

Knapper Wohnraum, Multifunktionalität und Porzellan inspirieren auch Lotte Schloer. Während ihres Auslandssemesters in Tokio kam ihr die Idee, durch zwei parallele Seitenschnitte die runde Form klassischer Schalen aufzuheben. Dadurch können diese platzsparender zusammengestellt werden. Aber auch die Deckel der aus dieser Eingebung entstandenen Porzellanserie „fitted space“ haben weitaus mehr Funktionen, als nur Hitze und Aroma zu bewahren: Dreht man ein Modell auf den Kopf, dient der Deckel als Teller und die Schale als Servierhaube.

Um Schalen ging es auch in ihrer weiteren Serie „betotherm“, für die sie zwei absolut gegensätzliche Materialien kombinierte, die sich wunderbar ergänzen: Während die runde Servierschale aus feinem Porzellan absolut kratzfest ist, dient ihre grobe Betonumrandung als Wärme- und Kältespeicher. Durch ihre sechseckige Außenform lassen sich außerdem beliebig viele dieser Serienobjekte schön aneinanderreihen. Von der gebürtigen Münchenerin werden wir spätestens wieder hören, wenn sie „betotherm“ durch flache Teller und ovale Schalen erweitert hat.

Lotte Schloer
Clap Design
Clap Design

Clap Design entwirft anziehende Tischaccessoires

Das tschechische Label Clap Design setzt dagegen auf spielerische Ästhetik. „Minimalismus, Holz und Magneten sind unsere Leidenschaft“, stellt Václav Čajánek gleich am Anfang unseres Gesprächs klar. Mit seinem Design-Partner Lukáš Pejchal entwirft er handgefertigte Tischaccessoires wie Eierbecher, Kaffeeuntersetzer und Brotbretter aus hochwertiger Eiche. Das Besondere an ihren Kreationen: Jedes Modell enthält einen kleinen, von außen unsichtbaren Magneten, der metallene Gegenstände nicht nur anzieht, sondern auch richtig festhält. Ihre Kreationen eignen sich deshalb besonders gut, sagt das Designer-Duo, für ein entspanntes Frühstück im Bett.

Clap Design
Melissa Avila

Fiesta Mexicana mit M.A.

Im Living-Areal der Talents war Künstlerin Melissa Avila die absolute Pionierin beim Thema Standort und Herkunft. Sie produziert ihre eigenen Kreationen in Zusammenarbeit mit Kunsthandwerkern aus allen Regionen Mexikos, die weiterhin mit traditionellen oder lokalen Techniken arbeiten. In Form von öffentlichen Workshops baut sie außerdem eine Brücke zwischen Menschen aus der traditionellen und der modernen Welt. Ihr Projekt M.A. soll dabei helfen, mexikanische Handwerkskunst zu erhalten und bessere Bedingungen für ihre Akteure zu schaffen. „Allerdings waren viele meiner Kreationen einfach zu schwer, um sie nach Frankfurt zu transportieren“, entschuldigt sich Melissa. Machte gar nichts – ihr Stand mit den farbenfrohen Wollteppichen und wunderschönen Keramikarbeiten war dennoch nicht zu übersehen.

Melissa Avila
Melissa Avila
Rooshad Shroff

Rooshad Shroff zeigt indische Traditionen mit moderner Formensprache

Architekt und Designer Rooshad Shroff vertrat, neben Künstlerin Viti Mittal, das diesjährige Partnerland Indien bei den Talents. Auf seinem Stand feierte er die Handwerkskunst auf eine ganz besondere Art – so wie er es auch im richtigen Leben tut. Seine Stühle werden nur von zwei und nicht von vier Beinen gestützt, ein Tischbein bringt er seitlich und nicht in der Mitte an, die Holzbank mit ihren kontemporären Formen und der Sitzfläche aus indischen Garnen erinnert eher an ein unantastbares Kunstwerk als an einen Gebrauchsgegenstand. Und dennoch sind alle handgefertigten Kreationen von Rooshad Shroff, dank ihrer genial durchdachten Konzeption, absolut stabil und alltagstauglich. Ein weiteres Highlight auf seinem Stand war zudem die Kreation „Marble Bulbs“. Ihre Glühlampen aus Marmor strahlen auch dann noch vor Schönheit, wenn das Licht schon längst ausgeknipst ist.

Rooshad Shroff
Rooshad Shroff
Aska

Aska macht Schönes aus Fabrikabfall

Das stärkste Kontrastprogramm zu avantgardistischen Formen und bunten Farben boten wiederum, wie sollte es auch anders sein, die Schweden. „Meine Frau und ich haben lange überlegt, wie sich aus aussortiertem Rohmaterial etwas Funktionelles in typisch skandinavischem Design herstellen lässt“, erzählt Talent Linus Kjellqvist vom Design-Studio Aska aus Stockholm. Die Antwort fanden die beiden in Form von Metallplatten aus Fabrikabfall, die sie seit 2018 zu ovalen Wandregalen formen. Gleichmäßige Perforierungen der Platten sorgen dabei für ästhetische Lichtspiele, während mobile Zwischenebenen aus Terrazzo, Birken- und Walnussholz das Regal-Innere funktionell strukturieren. Als kleines Extra produziert das Designerpaar zudem auch Magneten mit ledernen Fuchs- und Elefantenohren. „Da machen alle Insta-Mamis sofort ein Foto von“, amüsierte sich Linus Kjellqvist augenzwinkernd.

Aska

Bekwood plädiert für Mut zur perfekten Imperfektion.

Dass Multifunktionalität und lokale Produktionen aber nicht nur ein Wohntrend sind, sondern ebenfalls im Fashion- und Lifestyle-Bereich eine Rolle spielen, bewiesen die Schmuck- und Accessoires-Entwürfe der diesjährigen Nachwuchsdesigner. Ein schillerndes Beispiel dafür war Talent Ondřej Bek aus Pilsen, der für sein eigenes Label Bekwood Brillenkollektionen aus tschechischer Eiche herstellt: Seine handgefertigten Modelle verschaffen ihren Trägern nicht nur den richtigen Durchblick, sondern dienen ihnen gleichzeitig auch als gesellschaftliches Statement mit dem Mut zur perfekten Imperfektion.

Bekwood
Bekwood