Gezähmte Grandezza.

Marmor bespielt nicht länger nur die großen Flächen, sondern erobert zunehmend Möbel und Accessoires.

Farbenpracht in Stein
Marmor ist ein echter Tausendsassa. Je nach Herkunft verfügt der Kalkstein über ganz unterschiedliche Strukturen und Härtegrade, was ihn für ebenso unterschiedliche Verwendungen empfiehlt. Die Säulen eines Palastes stellen eben andere Anforderungen als der Boden eines Entrees oder eine Arbeitsplatte in der Küche.

Doch längst werden nicht nur Säulen, Böden oder Wände mit Marmor gestaltet. Das Schwere, Überzeitliche, das diesen Naturstein einst für imperiale Prachtbauten prädestinierte, ist einer wendigeren Verarbeitung gewichen. So sind es in letzter Zeit vor allem Möbel und Accessoires aus oder mit Marmor, die frischen Wind ins Interior bringen. Marmor ist nicht länger eine Frage von Repräsentation und Prestige, sondern der gewitzten Nutzung.

Und dann die Farben! Kaum ein Stein kommt in so vielen satten Tönen daher, die bei entsprechender Verarbeitung eine elegante Leuchtkraft entfalten. Die Uhrzeit lässt sich gut auf einem hellen Grund ablesen, während ein Couchtisch in dunkler Maserung zum Dreh- und Angelpunkt Ihres Wohnzimmers wird. Dass dabei die Oberfläche des Tisches von Eichholtz nicht massiv, sondern ein Finish in Marmoroptik ist, erweist sich als Vorteil. So lassen sich die vier Elemente ohne Probleme auch an einem anderen Ort im Raum platzieren. Wer will schon jeden Tag das gleiche Setting?

Man sieht Produkte mehrerer Hersteller in Marmor-Optik. Man sieht oben links im Bild Fliesen von Scandola Marmi. Rechts daneben befindet sich eine kupferne Wanduhr von Salt & Pepper. Darunter sieht man einen Schubladentisch von Serax. Links daneben befindet sich ein Seifenspender-Set von Andrea House. Unten links im Bild ist ein Coutchtisch von Eichholtz zu sehen und daneben erkennt man Servietten von Eightmood.

  • 1  Fliesen von Scandola Marmi
  • 2  Wanduhr von Salt & Pepper
  • 3  Seifenspender-Set von Andrea House
  • 4  Schubladentisch von Serax
  • 5  Couchtisch von Eichholtz
  • 6  Servietten von Eightmood

Schein und Sein
Echter Stein oder gewiefte Anverwandlung? Das ist ein großes Thema beim gegenwärtigen Marmortrend, und es wird auf ganz unterschiedliche Art und Weise verhandelt.

Augenzwinkernd bietet Eightmood Papierservietten mit Marmorzeichnung an und sorgt damit garantiert für Verwirrung beim Kaffeetrinken: Steht diese Art von Muster nicht per se für ein hartes Material? Solcherlei Überraschungen begegnen einem sonst in der modernen Kunst, etwa bei Claes Oldenburg oder Mona Hatoum.

Die Fliesen von Scandola Marmi wiederum treiben die Irritation in eine andere Richtung weiter, indem sie statt Naturmaserung die Illusion räumlicher Tiefe aus der Vogelperspektive evozieren.

Originelle Wirbel
Dabei ist eines der schönsten Merkmale des Marmors nach wie vor seine natürliche Zeichnung. Deren Vielfalt rührt daher, dass es Steinbrüche auf der ganzen Welt gibt. In Europa steht seit Michelangelos Skulpturen der toskanische Carrara für Qualität, doch edler Kalkstein wird auch in Ländern wie Iran oder China abgebaut. Jede Region produziert anderes Gestein.

Haushaltsgegenstände bieten den Marmormaserungen eine ideale Bühne, sei es als Schneidebrett, Teekanne, Teller und Tasse, Salzfass oder als kleine Schale. Die hier abgebildete Schale von Architectmade steht am Ende einer kleinen Geschichte: 1963 vom dänischen Designstar Poul Kjaerholm als übergroßer Aschenbecher für das Rathaus von Fredericia entworfen, ist sie nun auf vertraute Maße zurückgeschrumpft.

Karin Jaeger, Redakteurin bei Architectural Digest, sieht in der abwechslungsreichen Maserung nicht zuletzt den Grund für die anhaltende Strahlkraft des Materials: „Marmor ist ein echtes, ehrliches Material. Solide und zugleich sensibel. Steht für Dauer und Beständigkeit und ist trotzdem immer im Fluss – man sieht sich nie satt an seinen Adern, Wirbeln und Wolken. Jedes Stück ist anders, so werden Möbel und Accessoires automatisch zu Unikaten.“

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  • 1  Geschirr von Vista Alegre
  • 2  Salzschale von Bloomingville
  • 3  Kerzenhalter von Broste Copenhagen
  • 4  Servierplatte von Nuance
  • 5  Tischleuchte von Hübsch
  • 6  Schale von Architectmade
  • 7  Teekanne von Dibbern

Materialmix
Verstärken lässt sich der Touch des Individuellen noch durch ungewohnte Materialkombinationen. Und Marmor eignet sich dafür hervorragend. Bei der Tischleuchte von Hübsch etwa wird der Marmorfuß von einer „Sohle“ aus Mangoholz getragen, wodurch die Lampe etwas Weiches, Verspielteres bekommt.

Oder der kleine Kerzenhalter von Broste Copenhagen: So keck ragt hier der kupferfarbene Stahl aus dem grauen Marmorsockel, dass man auch bei hellem Tageslicht sofort eine Kerze anzünden möchte.

Marmor funktioniert in vielen Materialpartnerschaften, mal wirkt er dadurch massiver oder kühler, heller, leichter oder reiner. Eine Wirkung der neuen Nutzung des Marmors ist aber gewiss: Sie macht ihr Umfeld modern und individuell.