Basket Case II – von der Kunst, Kunsthandwerk neu zu definieren.

Was entsteht, wenn moderne europäische Gestaltung auf traditionelle Flechtkunst aus dem Süden Afrikas trifft? Diese Frage beantwortet während der Ambiente eine Ausstellung, welche die Resultate zweier Workshops zeigt, die von den Designern Matali Crasset und Sebastian Herkner in Simbabwe realisiert wurden. Damit greift das Projekt Basket Case II das Thema Nachhaltigkeit auf ganz besondere Weise auf: als Fusion scheinbarer Gegensätze mit faszinierenden interkulturellen Ergebnissen im Produktdesign.

Sebastian Herkner interessierte sich bereits während seines Studiums der  Produktgestaltung an der HfG in Offenbach für traditionelles Handwerk und Fertigungsarten aus verschiedenen kulturellen Kontexten auf modernes Design. Zu dieser Zeit absolvierte er ein Praktikum bei Stella McCartney, was ihm Gelegenheit gab, mit Materialien, Farben, Strukturen und Texturen zu experimentieren – Erfahrungen, die bis heute Einfluss auf seine vielfach prämierten Kreationen für namhafte Hersteller haben. Hinzu kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit, der dem Designer aus Offenbach sehr wichtig ist. „Das spiegelte sich stets in der Wahl der Materialien und auch Herstellungsweisen wider. Das Projekt in Simbabwe ist in doppelter Hinsicht nachhaltig, da es auch eine soziale und interkulturelle Komponente beinhaltet.“basket_case_02Diese Komponente überzeugte auch Matali Crasset von den beiden Workshops, die vom European Union National Institute of Culture (EUNIC) Zimbabwe initiiert wurden. Denn die französische Designerin mit Studio in Paris, die ihren Namen ausschließlich kleinschreibt und deren Portfolio von Industriedesign und Architektur über Interieur bis zu Grafikdesign reicht, definiert ihr Schaffen als stete Recherche und Entdeckungstour. Und zu entdecken gab es in Simbabwe viel: In den beiden kunsthandwerklichen Zentren Binga Craft Centre und Bulawayo Home Industries trafen die Pariser Gestalterin und der Designer aus Offenbach mit weiteren europäischen Design-Teams auf Korbflechterinnen, die ihnen die Flechthandschrift der jeweiligen Region näherbrachten.

„Auf den ersten Blick gab es sicherlich viele Gegensätze, da wir in Europa ganz andere Bedingungen haben“, erinnert sich Sebastian Herkner. „Im Laufe meines mehrwöchigen Aufenthalts in Binga habe ich jedoch auch Gemeinsamkeiten und Werte entdeckt. Es war auch nicht mein Ziel, meine Designsprache zwingend auf die traditionellen Körbe und Behältnisse aus Korbgeflecht zu übertragen. Vielmehr ist im Dialog miteinander eine eigene Sprache entstanden. So war mein Anliegen, farbige Fasern in die traditionellen Formen und Muster zu integrieren. Dies gestaltete sich sehr schwierig, da es in der Gegend nichts Derartiges gab. Ich habe mich dann für die Fasern der Säcke zum Transport von Nahrungsmitteln entschieden, die zumeist nur einmal verwendet werden. Diese farbigen Kunstfasern wurden dann mit den Naturfasern zu neuen Körben verflochten.“

Die kulturellen Eindrücke während der Workshops im Frühjahr 2014 waren jedoch keineswegs nur handwerklicher und gestalterischer Natur, wie der Designer betont: „Ich denke, man hat vor allem auch etwas Menschliches mitgenommen und erfahren, dass es dort eine ganz andere Zufriedenheit und Verantwortung gibt als bei uns. Das Miteinander der Menschen war sehr herzlich und einnehmend.“ So erinnert sich Sebastian Herkner besonders an die spontanen Tanz- und Gesangseinlagen der Frauen während des Flechtens: „Das waren sicherlich mit die ergreifendsten Momente.“basket_case_01Somit greift Basket Case II das Thema Nachhaltigkeit in der Tat „in doppelter Hinsicht“ auf, wie Sebastian Herkner bereits eingangs erläuterte: umwelttechnisch und sozial. Dabei hat sich der Anspruch an die Resultate erweitert: „Ziel war bisher, das Projekt nach Europa zu bringen und hier auf der Ambiente zu präsentieren“, so der Designer aus Offenbach, dem es nun auch  wichtig ist, „einen neuen Markt für die Frauen und ihre wundervolle Handarbeit aus Simbabwe zu erschließen.“ Und das keineswegs „nur“ aus sozialen Gründen, sondern vor allem aufgrund der Qualität der Arbeiten: „Das Besondere an den Produkten ist, dass sie alle handgefertigt sind. Ein Korb benötigt ein unglaubliches Geschick: vom Sammeln der Naturfasern, deren Säuberung und Vorbereitung bis hin zur Flechtarbeit, die ohne Weiteres einer Woche bedarf. Jedes Objekt trägt die Handschrift einer Korbflechterin bzw. ihrer regionalen Tradition und Ausbildung. Im Binga Craft Centre, in dem ich war, arbeiten weit über 1.000 Frauen in der Korbfertigung, welche zum Teil die einzige Möglichkeit ist, Geld zu verdienen.“

Und so werden die afrikanisch-europäischen Arbeiten, die im Rahmen von Basket Case II entstanden sind, nicht bloß auf der Präsentationsfläche im Foyer Nord der Halle 11.0 zu sehen sein, die Produkte können während der Ambiente auch direkt geordert werden: In Halle 10.1 befindet sich der Messestand der beiden kunsthandwerklichen Zentren.